Mitteilungsheft - Leider hat Lukas

euren faschierten Laibchen?“ – „Okay, keine faschierten Laibchen. Ich mach Burger.“ – „Juhuuu, Burger!“
    Der Altar war postweihnachtlich geschlossen. Sabine und Lukas prä-ferial bester Laune. Da sprach Vater Gruber:
    –  Sollen doch einmal zu Besuch kommen, Niko und seine Mutter.
    –  Das meinst du jetzt nicht ernst, oder?
    –  Ich denke, ich sollte die Frau wenigstens kennenlernen, die meine Ehefrau dazu bringt, mit ihr auf Urlaub zu fahren statt mit ihrem Ehemann.
    –  Vielleicht sind sie lesbisch!
    –  Laura! Du weißt überhaupt nicht, was lesbisch heißt.
    –  Natürlich weiß ich, was lesbisch heißt – man küsst eine Frau, die man nicht darf.
    –  Dein Papa küsst auch eine Frau, die er nicht darf! Jeden Abend. Sie merkt es nur nicht hinter dem Bildschirm.
    Usw. Zu den Heiligen Drei Königen erfolgte dann das Kennenlernspiel. Und in der zweiten Hälfte des Abends war dann irgendwann auch Nachhilfe am Tapet. Barbara hatte begonnen.
    –  Wie viel, sagst du, Walter, zahlst du dafür? Ich meine, alles zusammengerechnet?
    –  Wir. Wir zahlen beide.
Bei Probrain zirka 300 Euro.
    –  Probrain? Das kann man ja kaum aussprechen.
    –  Es heißt: fürs Hirn!
    –  Danke, Laura, aber Nikos Mutter weiß, was es heißt.
    –  Warum kann sie es dann nicht aussprechen!?!
    –  Laura!
    –  Weil es vielleicht ein Zungenbrecher ist, kleine Schwester?
    –  Lukas, du musst jetzt nicht auch noch deinen Senf dazugeben. Was soll sich Niko über euch denken …
    –  Niko hat sich früher auch immer eine kleine Schwester gewünscht, nicht wahr, Niko?
    –  Nein, fuck! Wie kommst du darauf!
    –  Sei froh. Schwestern sind voll Caritas, das kannst du mir glauben!
    –  Sag nicht Caritas, Lukas! Außerdem hast du ständig den Mund offen.
    Dann machte Sabine schlagartig Terrain gut.
    –  Probrain ist ein Lernhilfeinstitut. Die machen alles. Kurse auf Basis 100 Minuten. Crashstunden, Schularbeitsvorbereitungen, Stoffwiederholungen, alles. Weißt du, Babsi, das ist der Mercedes unter den Lernhilfeinstituten. Allerdings am Arsch der Welt. Wenn ich das Auto habe, müssen Walter und Lukas jedes Mal ein Taxi nehmen. Also 30 Euro dazu. Und dann sitzt Walter zwei Stunden untätig im Kaffeehaus herum, 10 Euro dazu. Macht summa sum…
    –  Nicht untätig, Schatz. Ich denke darüber nach, wie wir das Geld wieder hereinbringen, das wir für Lukas’ Gratisschule ausgeben.
    –  Hahaha (Barbara)
    –  Hahaha (Bine)
    –  ? (Niko, Laura, Lukas)
    Usw. Wir hatten probeweise die Pakete „Powerlearning“ und „Xercising“ gebucht.

    Die Lehrerinnen gab es online zum Anklicken, also zumindest einige von ihnen. Zum Beispiel: Elisabeth, Alter 25, Typ: Sandra Bullock. Unter dem gefälligen Bild aber gleich prophylaktisch die Warnung: „Natürlich stehen Ihnen weitere Lehrer zur Verfügung, jedoch möchte nicht jede Lehrkraft öffentlich dargestellt werden. Bitte haben Sie Verständnis hierfür.“ Hatten wir. Ohne groß nachzufragen. Und so bekam Lukas nicht Sandra Bullock, sondern Anita Oberleitner, 55, Typ Angela Merkel. Deren Spezialität: Lehrer schlecht zu machen. Nicht, dass Lukas bei Abkanzlerin Merkel in Mathe und GZ nichts gelernt hätte. Aber gelernt hat er bei Michail, einem Englisch-Studenten aus Kiew, auch. Und zwar bei uns zu Hause. Für 10 Euro die Stunde. Also haben wir Probrain wieder verlassen – und Lukas’ Schicksal in die Hände von Michail und Niko gelegt. Nach den ersten Plus für Lukas auf die GZ-Hausübungsblätter ist meine anfängliche Skepsis der Überraschung gewichen.
    –  Sag, Lukas, und das liegt wirklich an Niko, dass du plötzlich Plusse kriegst?
    –  ---
    –  Weil du es plötzlich verstehst?
    –  Ja, auch.
    –  Was heißt auch?
    –  Ich meine, ja. Klar verstehe ich es, sonst würde ich ja keine Plusse bekommen.
Und wer alle Hausübungsblätter hat, fallt nicht durch, hat die Söllner gesagt.
    Auf gut Deutsch, es flutscht plötzlich. Ansonsten habe ich mich an Bines Rat gehalten. Kein Mitteilungsheft bis zu den Semesterferien. Das glaubst du nicht, wie da plötzlich die Lebensqualität ins Dorf zurückgekehrt ist! Draußen rieselt der Schnee und drinnen abends nichts als Frieden unter dem Altar. Marie-Claire in bestechender Form, Bine gut gelaunt, Laura noch süßer, braver und superkluger als sonst, und Lukas mutiert vom renitenten Schüler zu einem reifenden jungen Mann, der, wenn er angesprochen wird, in vollständigen Sätze antwortet. Sogar