Mittelalterliche Klöster: Deutschland - Österreich - Schweiz
und weitere Zellen gründeten, die |86| ausgestattet mit eigenem Personal vor allem auf kirchlichem Eigenbesitz entstanden. Der große Unterschied zwischen dem Salzburger und Halberstädter Modell, so Weinfurter, lag darin, dass Bischof Reinhard nicht sein eigenes Kapitel reformierte, sondern Hamersleben zum Ausgangspunkt weiterer Aktivitäten wählte, während Erzbischof Konrad sein eigenes Domkapitel zum Zentrum auserkor, selbst die Profess auf die Augustinerregel ablegte und damit als Diözesanbischof zugleich Leiter des Reformverbandes war.
Wie bei der Hirsauer Reform funkelten die Sterne nur für relativ kurze Zeit. Nach drei bis vier Jahrzehnten war die Leuchtkraft verblasst. Josef Siegwart sah die Tragik dieser Reform vor allem darin, „daß die großen Männer der Erneuerung in ihrer Begeisterung für den Augenblick zuviel erreichen wollten und auf die Dauer zu wenig Erfolg hatten oder ihr Werk nicht über Generationen hinweg vor dem Zerfall bewahren konnten“ (1965, S. 83).
2. Ordensvorschriften und Klosteranlagen
B ei den klassischen Mönchsorden sind die Klosterregel (Benediktregel) und die sie erläuternden Gewohnheiten ( consuetudines ) aufeinander bezogen. Letztere ermöglichten die Anpassung der Lebensweise an örtliche und zeitliche Gegebenheiten. Die Auslegung der Regel und die Bewahrung derselben waren Teil der monastischen Kultur. Mit der Etablierung der neuen Orden im 12. Jahrhundert, deren Klöster durch Satzung miteinander verbunden waren, erhielten auch die Gewohnheiten überregionale Geltung. Am verfassungsrechtlichen Modell der Zisterzienser orientierten sich nicht nur die Prämonstratenser, sondern auch die Bettelorden. Für die Kanoniker waren die historischen Voraussetzungen andere.
Die Bestimmungen apostolischen Lebens im Neuen Testament sind sehr allgemein. Helmut Deutz hat dargelegt, dass die Kanoniker ihre Lebensweise unter dem Aspekt der vita apostolica zunächst an patristischen Texten, an der Aachener Regel von 816 sowie an den Bräuchen der Kanonikerregel ( regula canonica ) ausrichteten. Eine besondere Schwierigkeit bestand darin, dass die favorisierte Augustinusregel in verschiedenen Redaktionen vorliegt, vor allem spirituelle Ratschläge enthält und, sieht man vom Ordo monasterii ab, keinerlei konkrete Hinweise zur praktischen Organisation des täglichen Lebens beinhaltet. Die jeweiligen Consuetudines waren viel stärker an die Kanonikerregel gebunden und wurden in eigenständigen Regeltexten tradiert. Erst mit der Erneuerung des Kanonikerlebens im ausgehenden 11. Jahrhundert erhielt der Regeltext größere Bedeutung. Damit wird auch deutlich, dass die Regularkanoniker keine Gewohnheiten ausbildeten, die für alle verbindlich waren, sondern vielmehr einzelne Konvente, wie Klosterrath, durch Beispiel ausstrahlten.
Die Consuetudines Rodenses wurden von Abt Richer († 1122) verfasst, der selbst aus dem oberbayrischen Rottenbuch stammte und von dort zur Leitung des Konvents nach Klosterrath (Rolduc) gerufen wurde. Das Kanonikerstift geht auf eine von Ailbert um 1104 gegründete Eremitensiedlung zurück, die danach in ein reguliertes Chorherrenstift umgewandelt wurde. Richer erhielt seinen Auftrag 1112 vom Lütticher Bischof Otbert. Seine Aufgabe war es, eine aus Weltpriestern bestehende Gruppe von Religiosen auf ein Gemeinschaftsleben in persönlicher Armut, ohne Privateigentum und eigene Wohnung zu verpflichten. Der Abt erfüllte seine Aufgabe vorbildlich. Er verknüpfte die strengen Lebensideale des Einsiedlers Ailbert mit den Anforderungen des Ordo monasterii und hinterließ 1122 einen reformorientierten Konvent, doch lehnte er wie Ailbert vor ihm Doppelklöster strikt ab.
Richer griff bei der Erneuerung der Lebensweise nicht nur auf die Bräuche seines Heimatklosters zurück, sondern orientierte sich auch am Ordo novus von Springiersbach. Zudem sind, wie Stefan Weinfurter herausgearbeitet hat, die Gewohnheiten stark von jenen aus Hirsau und Marbach (Elsass) beeinflusst. In organisatorischen Fragen lehnte er sich an die Constitutiones Hirsaugiensis an, in liturgischen an die Consuetudines Marbacenses . Die Besonderheit der neuen Bräuche in Klosterrath, so Helmut Deutz, bestand darin, dass Richer sich ausdrücklich auf die beiden Augustinusregeln bezog, das Praeceptum und den Ordo monasterii , die für ihn keine Gegensätze darstellten. Klosterregel und Gewohnheit wurden unmittelbar miteinander verknüpft. Allerdings interpretierte er nicht wie im benediktinischen
Weitere Kostenlose Bücher