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Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Titel: Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarita Kinstner
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nicht in sie verliebt bin, und auch nicht, als sie mir von Jakob erzählt hat, den sie vielleicht immer noch liebt.
    Als er die Stufen am Ende der Brücke hinunterläuft, muss er an Ute denken. Ute mit der Zahnspange. Sie war seine Freundin, vor fünf Jahren, als er noch in Köln gewohnt hat. Wie verliebt er in sie war! Aber Ute ist insgeheim in Michael verliebt gewesen, Gery hat es immer gespürt, von Anfang an. Dreimal haben sie sich während ihrer Beziehung getrennt, doch die Trennung hat nie lange gedauert. Wenn sich Michael nur in sie verlieben würde, hat er damals gedacht, dann würde sie draufkommen, dass er aus der Nähe nicht einmal halb so interessant ist. Aber Michael hat sich nicht für Ute interessiert, und nach der vierten Trennung hat auch Gery genug von ihr gehabt.
    Bis auf Ute hat es keine gegeben, in die er wirklich verliebt gewesen ist. Er hat sie alle gern gehabt, so wie er auch Sonja gern hat. Nur bei Marie ist es anders. Bei ihr könnte er sich vorstellen, sich wieder so richtig zu verlieben. Als er sie auf Joes Beerdigung gesehen hat, hat sein Herz so heftig geklopft, dass er schon Angst gehabt hat, jemand könnte es hören. Aber Marie ist Joes Freundin, wird es immer bleiben, auch nach seinem Tod.
    Als Gery mit zwei Colaflaschen zurückkommt, sitzt Sonja am Boden, die Knie an die Brust gezogen, den Kopf daraufgelegt. Ihr Pferdeschwanz hängt auf der linken Seite hinunter, berührt beinahe den Asphalt. Gery stellt sich vor, wie es wäre, sie zu filmen, wie sie hier sitzt, so still und ganz anders als Joe. Nicht oben, am Geländer, die Arme von sich gestreckt, sondern unten, als wolle sie sich verstecken, und doch würde sie jeder sehen, würde sich denken, dass ihr vielleicht schlecht ist, würde ihr seine Hilfe anbieten, die Hand hinhalten und fragen: »Ist Ihnen schwindlig? Geht’s Ihnen nicht gut?« Eine wie Sonja würde man immer fragen. Bei ihr würde keiner auf die Idee kommen, sie sei eine Betrunkene,
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, das nach Mitternacht auf dem Gehsteig hockt, anstatt im Bett zu liegen, um sich für den kommenden Arbeitstag auszuschlafen.
    »Hast du jemals das Gefühl gehabt, erkannt zu werden?«, fragt er sie, als er sich zu ihr setzt.
    »Wie kommst du denn darauf?«, sagt sie. »Du tust ja so, als wärst du ein Geheimagent.«
    Sie zieht an der Flasche.
    »Davon rede ich nicht. Ich meine, wenn dich jemand als Mensch erkennt. Wenn jemand spürt, wer du bist, ohne dass du darüber sprechen musst. Joe konnte das. Er hat in dich hineingeschaut, als wärst du aus Glas. Als säße in dem Glas deine Seele, oder wie immer man das auch nennt, was uns ausmacht.«
    »So ein Mensch würde mir Angst machen.«
    Sie sitzen mit dem Rücken gegen das Geländer gelehnt. Trotz der milden Luft pflanzt sich die Kälte des Asphalts fort, von den Pobacken über das Steißbein die Wirbelsäule hinauf. Langsam kriechen die Lichter der Autos über die Brücke, um auf der anderen Seite im Gewirr der Gassen unterzutauchen. Manchmal fährt ein Zug unten durch, später ist es sogar auf den Schienen ruhig, nur vom entfernten Gürtel hört man ein stetiges Rauschen.
    »Ich sollte langsam ins Bett.«
    Als Sonja aufsteht, bleibt sie mit der Ferse am Geländer hängen, der Schuh löst sich vom Fuß, fällt auf die Schienen und bleibt auf einer Weiche liegen. Sein Pink leuchtet im Licht der Laterne.
    »Scheiße. Wie soll ich denn jetzt nach Hause?«
    »Am besten du ziehst den zweiten auch noch aus.« Gery grinst.
    »Schön, dass du darüber lachen kannst.« Sonja beugt sich über das Geländer. »Wie komm ich da runter?«
    »Vergiss es. Da müssten wir zum Westbahnhof und die Schienen entlanggehen. Bevor wir bei deinem Schuh ankommen, lassen die uns in einer Zwangsjacke abtransportieren.«
    Also gehen sie die Felberstraße hinauf, Sonja in nur einem Schuh. Vorbei an den Prostituierten, die nach den letzten Nachtschwärmern Ausschau halten und gelangweilt an ihren Zigaretten ziehen.
    »Eigentlich wohnst du gar nicht weit weg von Joe«, sagt Gery. »Vielleicht hast du ihn ja einmal gesehen.«
    Sie bleiben vor Sonjas Eingangstür stehen.
    »Ich muss jetzt wirklich schlafen gehen«, sagt sie.
    »Ist schon okay.«
    Kalt und glatt fühlt sich ihre Haut an, als er sie zum Abschied auf die Wangen küsst. Er sieht ihr dabei zu, wie sie den Schlüssel ins Schloss steckt und im dunklen Flur verschwindet. Bleibt noch eine Zigarettenlänge lang stehen, bevor er über die Schweglerstraße zurückspaziert. Kurz überlegt er, zu Joes

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