Mitten im Gefühl: Roman (German Edition)
nach Colworth eine Stunde dauern und die Aussicht eines Missgeschicks im Auto war zu schrecklich, um es sich auszumalen. »Ich fühle mich immer noch nicht … ich weiß nicht, ob ich … tja, die Fahrt durchstehen würde.«
Dominic nickte und nahm das Telefon neben dem Bett zur Hand. Er sprach mit der Empfangsdame und bat um ein zweites Zimmer.
»Das Hotel ist ausgebucht«, verkündete er kurz darauf und hängte ein. »Jedes einzelne Zimmer ist belegt.«
Das war ein Albtraum.
»Du kannst doch nach Hause fahren«, flüsterte Tara, denn ganz offensichtlich wünschte sich Dominic nichts anderes. »Ich bleibe hier.«
»Das wäre vielleicht am besten.« Dominic wirkte leicht aufgebracht, als ihre Schultern zu zittern anfingen. »Mein Gott, fang jetzt nicht an zu heulen. Was ist denn jetzt wieder?«
Was jetzt wieder ist?
Heiß strömten die Tränen über Taras Gesicht und tropften von ihrem Kinn. »Ich hab’s ver-vermasselt! Es tut mir Leid, aber ich hab’s ja nicht mit Absicht getan … und es geht mir miserabel.« Sie wischte sich die Augen mit dem Ärmel ihres Morgenmantels. »Mir ist wirklich nicht gut und ich möchte nicht al-allein bleiben!«
Jämmerlich, absolut jämmerlich, aber wahr. Zu Hause würde sich längst Maggie um sie kümmern, sie ins Bett bringen, ihre Stirn kühlen und einfach wunderbar und fürsorglich sein.
Dominic hielt sich auf Abstand und tätschelte ihr von fern die Schulter. »Na gut«, seufzte er, »ich bleibe.«
Tara wagte es nicht, ihn zu umarmen. Sie schniefte laut. »Dadanke.«
Um acht Uhr am nächsten Morgen checkten sie aus. Tara hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so leer gefühlt. Ihr ganzer Körper war so hohl wie ein billiges Osterei. Sie hatte unruhig geschlafen, war immer wieder aufgewacht und ins Bad geeilt. Es verstand sich von selbst, dass auch Dominic nicht viel Schlaf bekommen hatte.
Aber wenigstens fühlte sie sich gut genug, um die Heimfahrt anzutreten. Dominic schien auch erleichtert. Sie hätte nie geglaubt, dass zwei Menschen in einem Doppelbett so weit auseinander liegen konnten. Diese Nacht würde keiner von ihnen jemals vergessen.
Schweigend fuhren sie nach Colworth zurück. Als Dominic sie am Ende der High Street absetzte, gab er ihr keinen Kuss. Tara war überzeugt, immer noch nach Erbrochenem zu riechen, obwohl sie sich die Zähne mehrmals geputzt hatte.
»Ich rufe dich an.« Er sah auf seine Uhr, um anzudeuten, dass er in Eile war.
»Ist gut.« Tara fragte sich, ob es ihm ernst damit war. Hatte sie ihn für alle Zeit vergrault oder würde die Grässlichkeit der letzten Nacht eines Tages verblassen wie die Schmerzen bei der Geburt? Zum ungefähr einhundertsten Mal flüsterte sie: »Es tut mir Leid.«
Dominic nickte und brachte das erste Lächeln des Tages zustande. Nur der Hauch eines Lächelns. »Mir auch.«
48. Kapitel
»Bist du sicher, dass es dir wieder besser geht?« Maggie kam mit einer neuen Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank ins Wohnzimmer geeilt. Sie strich Tara über die Haare, rasselte mit den Wagenschlüsseln und sagte: »Mein armer Schatz, du siehst immer noch grässlich aus. Ich kaufe ein paar Leckereien für dich, damit dein Appetit zurückkommt. Soll ich auch Zeitschriften mitbringen?«
Tara nickte und fühlte sich umsorgt. Es war 15 Uhr, und sie hatte die ›angeschlagen-aber-auf-dem-Weg-der-Besserung‹-Phase erreicht. Immer noch schmerzte jeder einzelne Muskel in ihrem Körper, aber sie hatte zwei Glas Wasser trinken und bei sich behalten können.
Ach, was war es doch schön, verhätschelt zu werden. Und Maggie hatte ihr am Vorabend Rain Man aufgenommen. Zwei Stunden in Gesellschaft von Dustin Hoffman und Tom Cruise waren genau das, was sie jetzt zur Aufheiterung brauchte.
Eine Stunde später klingelte es an der Haustür.
»Das Risikospiel«, sagte Dustin Hoffman auf dem Bildschirm.
Tara strampelte sich aus der Decke frei und fuhr mit der Hand fahrig durch ihre abstehenden Haare. Vielleicht war es ja Dominic, der zurückgekommen war, um sich zu entschuldigen und ihr zu sagen, dass er sie immer noch liebte.
Na ja, wäre doch immerhin denkbar.
Aber ob er sie auch noch in ihrem Madonna-T-Shirt und den ausgebeulten Jogginghosen lieben würde, stand auf einem anderen Blatt. Sie öffnete trotzdem die Tür.
»Hallo«, sagte Annabel Cross-Calvert.
O Gott! Tara betete, dass sie auf dem Sofa eingeschlafen war und einen schrecklichen Albtraum durchlebte. Das konnte doch nicht wirklich passieren,
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