Mitten im Gefühl: Roman (German Edition)
Plastikflugzeug. Es hat Unsummen gekostet, wir haben es bei Harrods erstanden. Meine Güte, Ottobaby, mach mal Pause! Mommys Trommelfell platzt ja gleich.«
Für 9 Uhr 30 morgens war das ein bisschen zu viel.
»Es tut mir Leid, aber ich kann die Feuerwehr nicht alarmieren«, wiederholte Daisy geduldig.
»B-b-b-bitte«, schluchzte Otto und dicke Tränen kullerten über sein sommersprossiges Gesicht.
Daisys Herz schmolz. MrsWilder mochte ein Albtraum sein, aber Otto war wirklich ein süßer Bub, meistens fröhlich und viel netter, als man erwarten würde.
»Na komm, Kleiner«, sagte Daisy, »sehen wir uns die Sache einmal an. Warum zeigst du mir nicht, wo dein Flugzeug ist?«
Ottos Gesicht hellte sich hoffnungsvoll auf. Er schob seine kleine Hand vertrauensvoll in Daisys.
»Sie können mir helfen, oder?« Seine Unterlippe zitterte und er blinzelte durch seine runde Harry-Potter-Brille zu ihr auf. »Sie können mein Flugzeug herunterholen!«
Die Buche im Park war achtzehn oder gar zwanzig Meter hoch. Bert und Kelvin, die beide als Faktotum für das Hotel arbeiteten, hatten eine Aluminiumleiter gegen einen der unteren Äste gelehnt. Ottos rotweißes Flugzeug hing ungefähr neun Meter über der obersten Sprosse der Leiter.
»Wir haben unser Bestes versucht.« Bert schüttelte entschuldigend den Kopf. »Kelvin ist bis zum dritten Ast hochgekommen, aber dann fingen seine Nerven an zu flattern.«
»Ist ziemlich glitschig da oben.« Kelvin klang defensiv. »Joe und Barry haben es nach mir versucht, aber die haben es auch nicht geschafft.«
Ottos Gesicht fiel wieder in sich zusammen. Er klammerte sich immer noch an Daisys Hand fest.
»Ist ja gut.« Daisy war klar, dass sie noch einen letzten Versuch wagen musste. Als Kind war sie ein erstklassiger Kletteraffe gewesen. »Pst, nicht weinen, mein Kleiner. Bert, leihen Sie mir Ihren Overall. Ich versuche es selbst.«
»Boar«, juchzte Otto begeistert und sprang auf und ab. »Sie sind wie Wonderwoman!«
Na ja, ein wenig schon.
Drei Minuten später fühlte sich Daisy alles andere als Wonderwoman. Sie erklomm die unteren Äste des Baumes in Berts exkrementbraunem Overall über ihren cremefarbenen Lederhosen und dem burgunderroten Kaschmirpulli. Ihre Füße waren nackt, damit sie einen besseren Halt fand. Und jedes Mal, wenn sie sich bewegte, wurde sie von den darüber liegenden Blättern mit einem Wasserschwall förmlich geduscht.
Ihre Füße waren eiskalt und ihr Haar tropfnass, aber sie kam stetig voran. Als sie nach dem nächsten Ast griff, fuhr ein Wagen die Auffahrt hinauf und bog auf den Parkplatz.
»Beinahe geschafft, beinahe geschafft«, gellte Otto in einem wahren Begeisterungstaumel.
Daisys Herz rutschte kurzzeitig in die Hose, als sie für einen Augenblick den Halt verlor. Sie griff nach dem Ast über ihrem Kopf und klammerte sich mit aller Macht fest. Dann holte sie tief Luft und suchte nach dem nächsten sicheren Stand. Das leuchtend bunte Flugzeug war jetzt nur noch wenige Meter über ihr – sie konnte jetzt unmöglich aufgeben. Meine Güte, wie weit es doch hinunterging.
Eine Stimme meldete sich von tief unten ungläubig zu Wort. »Sie rettet was? Ein Spielzeugflugzeug? Was für ein Idiot klettert einen so hohen Baum hinauf, nur um ein Spielzeug zu retten?«
Daisy hielt kurz inne. Otto, ihr Held, erwiderte leidenschaftlich: »Sie ist kein Idiot. So dürfen Sie sie nicht nennen! Sie ist Wonderwoman!«
Daisy sah nach unten und entdeckte zu ihrem Entsetzen Dev Tyzack, der zu ihr hochstarrte.
»Daisy, Sie haben nicht alle Tassen im Schrank!« Er stützte die Hände auf die Hüften, und sein Gesichtsausdruck war ernst. »Kommen Sie sofort herunter. Es reicht. Hauptsache, Sie bleiben irgendwie heil.«
War das etwa seine ›Keine-Spielchen-Ich-bin-der-Boss‹-Stimme? Die Stimme, mit der er andere Menschen herumkommandierte? Daisy konnte einfach nicht anders, als heftig an dem Ast zu zerren, an den sie sich gerade klammerte, in der Hoffnung, das würde Dev Tyzack eine Dusche verpassen.
»Daisy! Das ist gefährlich!«, warnte Dev.
»Bin fast oben«, jodelte sie zurück, entschlossener denn je, nicht aufzugeben. Sie presste die Zehen in die raue Rinde, kletterte höher und höher. Zu guter Letzt kam das Flugzeug in Reichweite.
»Hurra!«, brüllte Otto und klatschte in die Hände. »Nicht kaputtmachen!«
Daisy zerrte das Flugzeug aus dem v-förmigen Geäst, in dem es sich verfangen hatte, und ließ es zu Boden segeln.
Dev Tyzack. Ausgerechnet er
Weitere Kostenlose Bücher