Mitten im Gefühl: Roman (German Edition)
nicht.« Barney zeigte auf das Blatt Papier, das sie immer noch in der Hand hielt.
»Mein Gott, stimmt. Ich mache das am besten gleich. Möchten Sie hierbleiben oder mitkommen?«
Der Pianist stimmte ›Perfect Moment‹ an. Eine enorme Blondine griff sich mit schwer beringten Fingern an die Brust, öffnete den Mund und schmetterte falsch, dafür in einem tremolierenden Falsett los.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte Barney, »dann komme ich wohl lieber mit.«
11. Kapitel
Hinterher erinnerte sich Barney immer in Technicolor und bis ins kleinste Detail an jenen Augenblick, der sein Leben grundlegend veränderte. Er stand in Daisys chaotischem Büro, mit dem Rücken zum Fenster und den Händen in den Hosentaschen, und sah zu, wie Daisy Telefonnachrichten durchging. Sie saß auf einer Ecke ihres Schreibtisches, einen Fuß lässig auf den Drehstuhl vor sich abgestützt. Sie trug eine pfauenblaue Seidenbluse und einen engen, smaragdgrünen Rock, der über dem Knie endete. Als sie sich umdrehte, um einen Stift zur Hand zu nehmen, flog das zu faxende Blatt Papier auf den Boden.
Barney, der helfen wollte, hob das Anschreiben auf und sagte: »Soll ich das für Sie erledigen?«
Daisy sah erfreut auf. »Könnten Sie das tun? Das wäre großartig.«
Barney wollte nicht neugierig sein, aber er konnte nicht umhin, den Text zu lesen, bevor er das Blatt ins Faxgerät einspeiste.
Es war gar kein Brief, stellte er fest. Das Hotel suchte per Anzeige in der Lokalzeitung Gazette einen Pagen.
Das war der Augenblick, in dem es geschah.
Barney hielt die Luft an, als ihn die Idee ansprang. Er sah aus dem Fenster auf die Zedern, die ausgedehnten Rasenflächen, den mit Binsen gesäumten Fluss und die welligen Hügel, die jetzt im Nebel lagen. Dann sah er zu Daisy, die etwas in ihren Terminkalender notierte. Vom Flur drangen die Klänge eines Klaviers herein und die Stimmen von etwa zwanzig trunkenen Schreiberlingen, die unter Leitung von Hector MacLean heiser ›We’ll Meet Again‹ schmetterten.
»Gibt es ein Problem?«, erkundigte sich Daisy. »Soll ich Ihnen zeigen, wie das Gerät funktioniert?«
Barney holte tief Luft. Und los! »Dieser, äh, Job – hier steht gar nichts von den Qualifikationen, die man braucht.«
Daisy grinste. »Wir suchen einen Pagen, keinen Gehirnchirurgen.«
»Die Sache ist die … wie wäre es, wenn … also, ich weiß, das ist jetzt etwas seltsam«, stammelte Barney, »aber, was ich sagen will – würden Sie mich eventuell in Betracht ziehen, wenn ich mich auf die Stelle bewerbe?« Er hörte, wie die Worte aus seinem Mund sprudelten. Na gut, nicht gerade das geschliffenste Bewerbungsgespräch der Welt, aber noch vor zwanzig Sekunden hatte er nicht einmal daran gedacht. Es war die ultimative Spontanentscheidung.
Auch Daisy wirkte verblüfft. »Wie bitte? Sie wollen Page werden? Aber Sie arbeiten doch für den Staat!«
Barney war gerührt, dass sie ihn so bedeutend klingen ließ, als ob er der Nato vorstehen würde oder etwas in der Art. Dabei war er nur ein subalterner Bürohengst.
»Hören Sie, ich will ja nicht so gruselig klingen wie irgendein Irrer. Ich weiß, ich bin heute nur gekommen, weil … Sie wissen schon, wegen dessen, was Steven zugestoßen ist. Aber aus dem Grund will ich diesen Job nicht. Ehrlich nicht.«
»Dann ist ja gut«, meinte Daisy. »Sie haben nämlich Recht, das wäre wirklich gruselig.«
Barney schüttelte heftig den Kopf. »Die Sache ist die – in dem Augenblick, als ich heute Morgen aus dem Taxi stieg, dachte ich, was für ein herrlicher Ort das hier ist. Das Dorf ist … erstaunlich. Und die Menschen sind so freundlich! Dann haben Sie mir das Hotel gezeigt und es ist schöner als alles, was ich je gesehen habe. Da, wo ich lebe … tja, da geht es ziemlich rau zu, um ehrlich zu sein. Drogenabhängige, Gewalt, Einbrüche, Raubüberfälle. Wenn man da nicht gelebt hat, kann man sich nicht vorstellen, wie es dort zugeht. Das genaue Gegenteil von dem hier. Sehen Sie sich das an.« Er drehte sich um und zeigte aus dem Fenster. »Stellen Sie sich vor, morgens aufzustehen und diese Aussicht vor Augen zu haben, anstatt zugenagelter Ladenfronten, ausgebrannter Autowracks und Dealern auf der Straße. Hier zu leben … mein Gott, es wäre wie ein Traum!«
Daisys Blick fiel auf das Blatt Papier, das Barney immer noch in der Hand hielt. Seine Hände zitterten vor Erregung.
»Und was ist mit Ihrem Job?«
»Ich hasse meinen Job!« Er sprach leidenschaftlich. »Ehrlich, ich
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