Mitten in Amerika
der tiefen Seite ins Becken gefallen ist. Er hatte nie schwimmen gelernt und ist wie ein Stein auf den Grund gesunken. Bis sie ihn rausholen konnten, war er schon ertrunken. Und ausgerechnet Waldo mußte nach ihm tauchen. Im zweiten Teil ist er nicht mehr angetreten; ob er den auch gewonnen hätte, hat er nie erfahren. Ich glaube, er ist in seinem ganzen Leben nie wieder schwimmen gewesen.«
»Das muß für Waldo schrecklich gewesen sein, dieses Schuldgefühl mit sich rumzuschleppen«, sagte Bob.
»Schuldgefühl? Da täuschen Sie sich aber gewaltig. Das Wort kommt in Waldos Wortschatz nicht vor. Der hat sich noch nie an irgendwas schuldig gefühlt. Jetzt schickt er Sie her, damit Sie mich weichklopfen, bis ich die Ranch verkaufe; ich mache gute Miene zum bösen Spiel, aber eines will ich Ihnen gleich sagen: Ich verkaufe Ihnen die Ranch nicht, nicht einmal für eine Million Dollar.«
»Waldo verlangt fast das Zehnfache für den Besitz«, sagte Bob.
»Was Sie nicht sagen! So ein hinterlistiger Bursche! Und ich wette, Eileen und Marilyn sind mit von der Partie?«
»Als ich mit Ihrem Sohn gesprochen habe, waren sie beide dabei.«
»Diese Schlangen! Am liebsten würde ich’s doch tun und das ganze Geld für mich behalten. Hat er Ihnen gesagt, daß Sie sich umsehen sollen?«
»Er hat gesagt, jemand namens Steve würde mir die Ranch zeigen.«
»Oh, Steve? Estefan Escarbada meinen Sie wohl. Den habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen. Ich dachte, er wäre nach San Antonio gezogen. Sie sehen sich besser auf eigene Faust um.« Offenbar wollte sie ihn so schnell wie möglich aus dem Haus haben. Ihre Hände zitterten, das faltige Gesicht war voller Schweißperlen. Bob befürchtete mit einemmal, daß sie einen Schlaganfall bekommen könnte.
»Darf ich Ihnen zu einem Sessel helfen?« fragte er höflich.
»Bett«, keuchte sie mit einer fahrigen Handbewegung zu einer grünen Portiere auf der anderen Seite des Eichentischs. Er stützte sie auf dem Weg dorthin, schob den Türvorhang auf und erblickte ein riesengroßes Schlafzimmer mit blaßrosa Teppichboden. Mitten im Raum stand ein ungemachtes Himmelbett in Übergröße, verziert wie ein Hochzeitskuchen. Bob fiel auf, daß alles in dem Zimmer mit Staub überzogen war, und er fragte sich, ob es kein Dienstmädchen, keine Putzfrau gab. Er führte Mrs. Beautyrooms zu dem Bett; kaum hatte sie sich hingelegt, schloß sie die Augen. Als er den Raum verließ, sah er sich verstohlen um und registrierte die großen Fenster mit Blick auf den See, den Tisch mit lederbezogener Platte, den Ringe und Halsketten bedeckten, ein Körbchen mit Papieren, ungeöffnete Briefe und Zeitschriften. Die Plastikbrosche, an die er sich erinnerte, lag in einem Puderhäufchen. Sobald er den grünen Vorhang hinter sich hatte, ging er schnell hinaus, stiegin den Saturn und beschloß, das Ranchgelände mit dem Auto zu besichtigen.
Er sah, daß um den See ein Weg verlief, und fuhr nach Westen auf eine Baumgruppe zu. Weil der Tag so balsamisch geworden war, so kühl und blau, mit Millionen von Wildblumen, die die Wiesen so bunt färbten, als wären es Himmelsgefilde, ließ er die Seitenfenster herunter und die duftende Luft herein, trat auf das Gaspedal und fuhr auf den See zu.
Er hatte den See zu einem Viertel umrundet und fuhr auf dem ansteigenden Weg einen weißen Felsvorsprung entlang, der etwa dreißig Meter über dem See lag, als eine Wespe in den Wagen flog und nicht hinausfand. Erbost umsummte sie in Achterschlaufen Bobs Kopf. Er spürte, wie ihre Flügel die Luft bewegten. Mit der linken Hand versuchte er sie zum Fenster hinauszuwedeln, doch unvermutet flog sie ihn an und stach ihn direkt unter dem rechten Auge. Automatisch führte er die rechte Hand an das brennende Auge, das sich anfühlte wie mit Säure bespritzt, und der Wagen schlingerte vom Weg ab. Bob trat auf die Bremse, doch das Vorderteil des Wagens ragte bereits über den Felsen hinaus; die Hinterreifen hatten noch Bodenkontakt, doch der ganze Wagen schaukelte, wenn Bob sich bewegte. Das Auge war fast zugeschwollen. Die Wespe war immer noch im Wagen, aber Bob hatte jetzt andere Sorgen, als sie wegzuscheuchen. Selbst wenn sie noch hundertmal zustechen würde, wagte er sich nicht zu rühren. Das Herz klopfte ihm bis zur Kehle. Er würde ganz ruhig sitzen bleiben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis man ihn finden würde. Freda Beautyrooms. Aber wann würde sie aufwachen? Und würde sie aus dem Fenster zum See schauen? Aus den großen
Weitere Kostenlose Bücher