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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Dough die Zeit damit, Coolbroth Fronk zu verspotten, der in einer der zwei Zellen Gift und Galle spuckte.
    »Und wie kommt es, daß sie dich Coolbroth getauft haben? Wäre Hotstew nicht passender gewesen?«
    »Das ist irisch. So hieß mein Urgroßonkel.«
    »Irisch, daß ich nicht lache! Klingt mir eher litauisch. Oder chinesisch. Tagalog oder feuerländisch.«
    »Verdammt noch mal, ich habe Ihnen doch gesagt, daß es irisch ist.«
    »Junger Mann, achte auf deinen Ton, wenn du mit mir sprichst, sonst könnte es passieren, daß du in baldiger Bälde unter Depressionen leidest. Und da ist noch etwas, was ich gern wüßte. Es wird darüber gemunkelt, daß du von der Texas Tech hochkant rausgeflogen bist.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Uns ist zu Ohren gekommen, du hättest ein paar sehr eigenartige Dinge mit einem der Stiere angestellt, die sie dort auf dem Versuchsgelände halten. Es wird behauptet, du hättest ihm mit einem Rohrstück im Arsch herumgefummelt. Und solche Schweinereien wollte das College nicht dulden. Ganz unter uns, was wolltest du von diesem Stier? Bist du schwul oder was? «
    »Sie sind ein alter Bock mit einer schmutzigen Phantasie. Wenn hier einer schwul ist, dann sind Sie es. Ich werde es Ihnen erklären, obwohl ich weiß, daß Sie nicht intelligent genug sind, um es zu kapieren. Okay: Ich wurde nicht von der Hochschule relegiert. Ich habe ein Freisemester, weil ich an einem Projekt arbeite. Und es war kein Stier. Es war eine Zuchtsau. Ich weiß, daß das Wort Kunst Ihnen nichts sagt, aber ich bin Künstler. Bildhauer. Und ich arbeite an einem Projekt mit dem Titel Kli schees des Unglaubens . Kennen Sie den Ausdruck >so finster wie in einem Schweinearsch‹?«
    Der Sheriff nickte. »Meine Schwester sammelt Briefmarken«, sagte er, denn das war die einzige Verbindung, die er zwischen seiner Familie und der Kunst herstellen konnte.
    »Na gut, und ich arbeite an einer Skulptur von der Innenansicht eines Schweinearschs. Ich hab auch schon eine große rosa Brille aufgehängt und einen Pappmachékragen mit einem schwarzen Plastikbalken davor – Nicht meine Kragenweite – und alle möglichen anderen Sachen. Konzeptkunst, verstehen Sie? Und was ist jetzt mit meinen Anrufen? Habe ich nicht das Recht auf ein paar Anrufe?«
    »Auf einen, und den hattest du, als du vorhin deine Mama angerufen hast. Sieht aus, als hätte sie es nicht besonders eilig, dich hier rauszuholen.« Der Sheriff bedachte Coolbroth mit einem vernichtenden Blick. »Von deinen anderen Untaten habe ich auch Wind bekommen.«
    »Was meinen Sie damit? Ein Fahrrad auf dem Gehsteig abzustellen ist keine >Untat‹.«
    »Doch, ist es. Jedenfalls in Woolybucket. Aber die Untat, um die es mir geht, ist das, was du Dawn Crouch angetan hast.« Er schob sein Gesicht nahe an Coolbroth’ Gesicht und flüsterte zischend: »Du hast ihr das Kind gemacht, stimmt’s? Du bist der Daddy, den keiner kennt.«
    »Ich will jetzt einen Anwalt sehen«, sagte Coolbroth, der vor Wut puterrot im Gesicht war.
    »Na so was, warum hast du das denn nicht gleich gesagt?« sagte der Sheriff. »Ich hätte mich auf der Stelle darum gekümmert. « Er ging in sein Büro, und Coolbroth hörte ihn telefonieren. Nach einer langen Pause wurde die Eingangstür geöffnet, und Coolbroth hörte, wie der Sheriff mit jemandem sprach und lachte. Schritte näherten sich den Flur entlang; ein alter Mann mit fleischiger Nase trampelte an der Zelle vorbei, ohne hinzusehen, drehte sich um und ging zum Büro des Sheriffszurück. Wieder hörte Coolbroth den Sheriff lachen; dann wurde die Eingangstür geöffnet und geschlossen. Der Sheriff kam zu seiner Zelle.
    »Hast du den Burschen eben gesehen?«
    »Ja und?«
    »Tja, das war ein Anwalt, und du hast ihn gesehen. Licht aus. Du schläfst jetzt brav ein und träumst süß von dicken fetten Schweinen und von namenlosen kleinen Babys, die verhungern müssen, weil ihre Daddys sich nicht um sie kümmern. Und ich will keinen Mucks mehr hören, sonst werde ich unangenehm.«
    Sheriff Hugh Dough machte das Licht aus, und die Dämmerung fiel herein, obwohl es draußen in der freien blauen Luft noch zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang waren.

26. Bruder Mesquite
    A m Tag vor seiner Abreise nach Denver gönnte Bob sich im Old Dog ein Abschiedsessen aus Steak und Kartoffeln, weil er Onkel Tams vegetarische Neigungen fürchtete und sich ausmalte, daß ihn geraspelter Weißkohl mit gekochten Rüben erwartete. Er öffnete die Tür des Cafés um halb zwei, als

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