Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
Sie zum Beispiel, wie Kühe sich in einem Blizzard bewegen? Die strecken ihr Hinterteil in den Wind.«
    Bob nickte, denn auch er war im Wind schon rückwärts gegangen. Doch seine Gedanken beschäftigten sich mit dem unabhängigen Büffel. Er stellte sich vor, wie er als Verdurstender mit den Fingernägeln im Boden grub, auf der Suche nach dem Wasser in der Tiefe.
    »Tja, unser Büffel tut nichts dergleichen. Der rennt in den Sturm hinein, damit er schneller aus dem schlechten Wetter rauskommt. Die arme alte Kuh geht mit dem Unwetter, bleibt in dem Unwetter und folgt dem Sturm, bis sie entweder tot umfällt oder von einem Zaun aufgehalten wird und erfriert. Und noch was: Auf der Ranch gab es ein paar alte Kuhlen, nichtsehr groß, in denen sich seit über hundert Jahren kein Büffel gesuhlt hatte. Kaum waren unsere Büffel auf der Weide, hatten sie nach zwei Wochen die ganzen Stellen gefunden, wo ihre Vorfahren Kuhlen angelegt hatten, und benutzten sie ganz selbstverständlich. Wir haben die Umzäunung der alten Ranch weitgehend von den Unterteilungen befreit, und heute haben wir dreieinhalbtausend Morgen Weideland. Ich will Ihnen was sagen: Wenn Sie wirklich eine Vorstellung davon haben wollen, wie es hier vor hundertfünfzig Jahren aussah, dann sollten Sie uns auf der Triple Cross Ranch besuchen. Da können Sie schauen, so weit der Blick reicht, ohne einen Zaun zu sehen.«
    »Das würde ich gern tun, aber ich muß morgen vormittag für ein paar Tage nach Denver zurück. Vielleicht, wenn ich wiederkomme, falls ich wiederkomme.«
    »Steht das in Frage?«
    »Ja. Ich glaube, mein Chef ist nicht mit mir zufrieden. Wissen Sie, ich bin nicht das, als was ich mich ausgegeben habe. Man hat mir aufgetragen, über meine Tätigkeit hier Lügen zu erzählen, und ich glaube, ich habe mir die falschen Lügen ausgesucht, weil ich mich immer tiefer reinmanövriert habe, und wenn die Leute inzwischen weiß Gott was denken, dann ist das meine Schuld.«
    »Warum erzählen Sie mir nicht alles?« sagte Bruder Mesquite mit ruhiger Stimme; es war das erste Indiz, dem Bob entnahm, daß er nicht lediglich ein bisonversessener Rancher war. »Ich hole uns das Dessert. Wollen Sie einen Kaffee zu Ihrem Kirschkuchen? Ich muß den Zahnarzt anrufen. Dieser Zahn ist noch mein Tod.«
    Er machte seinen Anruf, war wenige Minuten darauf wieder da, schob den Teller mit dem sahnebekränzten Kirschkuchen über den Tisch.
    »Vielen Dank«, sagte Bob, der aus dem Fenster schaute und einen Pickup sah, der ihm bekannt vorkam. Frisch gewaschen allem Anschein nach und noch mit Wassertropfen besprenkelt.
    Der Fahrer Francis Scott Keister sprang aus dem Wagen, zog sich den Hut tiefer gegen den Wind ins Gesicht und lief um den Wagen herum zur Beifahrertür.
    »O nein!« sagte Bob. »Der Kerl kann mich nicht ausstehen.« »Was, der alte Francis? Was haben Sie ihm getan?«
    »Das weiß ich nicht. Er hat einfach was dagegen, daß ich
    mich hier aufhalte.«
    »Mit Grund oder ohne?«
    »Mit. Ich habe über meine Tätigkeit geflunkert, und er ist mir auf die Schliche gekommen.«
    Eine zweite Person stieg aus Francis Scott Keisters Pickup und ging mit ihm auf das Café zu; ihre langen blonden Haare wehten im Wind.
    »Das kann nicht wahr sein«, sagte Bob, »das ist ja Evelyn Chine! «
    »Die kenne ich, glaube ich, nicht«, sagte Bruder Mesquite.
    Doch als Francis Scott Keister und Evelyn Chine hereinkamen, blickten sie nicht zu dem Ecktisch, sondern steuerten geradewegs auf die hinterste Nische zu. Bob konnte sie dort nicht sehen und erhaschte nur hin und wieder zusammenhanglose Sätze oder Wörter.
    Cy sagte: »… nur noch Zwiebelkuchen und ein bißchen Krautsalat. Ein Steak könnte ich Ihnen auf die Schnelle grillen, der Grill ist noch warm. Oder einen kalten –«
    »Schinkensandwich genügt mir«, sagte Keister. »Was sagst du, Evvie? Haben Sie Kaffee, Cy? «
    »Ein Schinkensandwich wäre super«, sagte der Spitzenscout von Global Pork Rind.
    »Kaffee, soviel Sie wollen.«
    Sie senkten die Stimmen zu Gemurmel.
    »Tja«, sagte Bruder Mesquite, »und wie kam es dazu, daß die Dinge so schwierig für Sie wurden?«
    »Das fing an«, sagte Bob, »als Mr. Cluke mir einschärfte, daß ich ein Deckmäntelchen bräuchte, weil die Leute hier gegendie Schweinefarmen sind. ›Nicht vor meiner Nase‹, Sie wissen schon. Und dann drängte LaVon Fronk mich mit ihren Fragen in die Ecke, bevor ich Zeit gehabt hatte, mir was Vernünftiges auszudenken, und deshalb sagte ich den

Weitere Kostenlose Bücher