Mitten in Amerika
Sie nicht, daß Ihr Bruder in der Stadt glücklicher wäre?«
Der alte Mann drückte die angerauchte Zigarette aus, schlitzte die Kippe mit dem Fingernagel auf, schüttelte die Tabakkrümel in den Wind, rollte das Papier zu einer winzigen Kugel, die er fortschnipste.
»Was sehen Sie da draußen, Bob ? « Mit dem Arm beschrieber den Horizont, wo ein paar Wölkchen wie Knödel am siedenden Himmel simmerten. »Erzählen Sie mir, was Sie sehen.«
Bob begriff, daß er examiniert wurde. »Stacheldrahtzäune, die Straße mit ein paar Trucks darauf und ein Tor. Bahngleise und zwei Getreidesilos, einer davon wahrscheinlich der in Woolybucket. Pumpen.«
Schweigen trat ein, das schier endlos anhielt. Ace Crouch holte eine neue Zigarette hervor und zündete sie an.
»Ich sehe noch mehr. Ich sehe mein Zuhause.« Und als Bob den Hals reckte und in Richtung von Cowboy Rose spähte, sagte der alte Mann: »Nicht dieses Zuhause. Mein Heimatland, die Gegend, wo meine Leute seit mehr als hundertzwanzig Jahren gelebt haben, von den Talsohlen des Canyons bis in die Berge. Wissen Sie, daß der Jones-und-Plummer-Trail hier durchgegangen ist, direkt unter dem Windrad, auf dem wir jetzt hokken? Die Spuren kann man noch sehen.«
»Mr. Crouch, ich denke auch oft an diese Zeiten. Ich denke an Leutnant Abert, der 1845 in dieses Land kam und als erster den Canadian River erforschte, und an alles, was er gesehen hat.« Als er das sagte, spürte er undeutlich, was er wirklich wollte: Er wollte Leutnant Abert sein, der über die unberührte Prärie zog, und nicht irgendein skrupelloser Klinkenputzer, der alte Leute dazu überredete, ihren Besitz aufzugeben.
»Das ist ein einzigartiger Teil Nordamerikas. Viele gute Männer und Frauen haben schwer gearbeitet, um sich in diesem harten alten Panhandle ein Zuhause zu schaffen.« Ace’ Gesicht war so zerknittert wie getrockneter Schlamm; zu Schlitzen zusammengekniffen, spähten die alten Augen in den Dunst.
Bob sagte nervös: »Die Damen bei LaVons Quiltkränzchen
haben mir von den alten Zeiten erzählt – von Melonen und
Cowboys und Ölboomzeiten, und ich konnte es mir richtig vorstellen. Ich meine, dieses urtümliche Leben im alten Panhandle. «
»Sie haben doch gar keine Ahnung von dieser Gegend. FürSie ist das nur irgendeine Gegend. Aber es ist mehr. Es ist das Leben der Leute, es ist die Geschichte des Landes. Wir haben die Dürrezeiten durchlebt, wir haben die Depression miterlebt und die Staubstürme, die so schwarz waren wie der Rauch, wenn man altes Öl verbrennt. Wir mußten mit ansehen, wie Cowboys als Erschießungskommandos halbverhungerte, durstige Rindviecher zu Tausenden abknallten. Ja, die Männer, die sich ihr Leben lang um die Kühe gekümmert hatten, die mußten sie auch erschießen. Und nicht wenige hartgesottene Burschen konnten den Anblick kaum ertragen.«
»Sir, das ist fast siebzig Jahre her.«
Aber Ace ließ nicht locker. »Jedes Jahr finden die Schweinefirmen neue Leute, die an sie verkaufen. Jeder ist sich selbst der Nächste. Meistens wollen die Jungen das Geld, weil sie hier nicht leben wollen. Sie haben mehr als genug Gründe dafür. Aber ich bin nun mal der Ansicht, daß wir in dieser Sache zusammenhalten müssen und daß wir die Schweinefirmen zum Teufel schicken sollen.«
Er ergriff den Krug mit dem Tee und trank und reichte ihn an Bob weiter. »Alles, was wir haben, ist das Land und der Ogallala-Aquifer, und sie machen beides kaputt. Das wäre meine Antwort an Global Pork Rind. Schert euch zum Teufel. Als Sie herkamen, Bob, da dachte jeder, Sie wären eine echte Hoffnung, als Sie davon redeten, das Land für nette Häuser nutzbar zu machen, für naturnahe Gärten und so weiter. Es war, als würden Sie uns eine reelle Mehrwertsituation aufzeigen.«
»Aber Ace, wir können doch nicht in der Vergangenheit leben. Und Sie können sie nicht zurückbringen. Haben die Leute denn nicht das Recht, selber zu entscheiden, wo und wie sie leben wollen? In vierzig oder fünfzig Jahren wird wahrscheinlich eine neue Entwicklung die Schweinefarmen ausradieren, und jedermann wird sagen, wie traurig das ist, daß das Schweinefarmerbe des Panhandle verlorengeht. «
»Und was soll das sein? Atomtests im Panhandle? ÜberVeränderungen brauchen Sie mir wirklich nichts zu erzählen. Ich habe ein Leben lang Windräder gebaut. Wie Bruder Mesquite sagt: ›Das Leben ist wie ein Windrad, es verändert sich ständig und paßt sich an.‹ Aber eine andere Sache ist, wie das Leben
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