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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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verärgert, denn er hatte vorgehabt, sein neues Leben als Rancher zu beginnen.
    »Wir lassen es laufen heute nacht. Ich gehe am Morgen schauen, was ist. Ölleute wir brauchen hier draußen keine.
    Wenn es am Morgen läuft noch immer, wir bohren woanders. «
    »Aber Öl ist ein Vermögen wert, Habakuk. «
    »Werden wir sehen.«
     
    Vor Tagesanbruch weckte Habakuk ein ungewohntes Geräusch, das Dröhnen der Motoren von Limousinen und Lastwagen, die sich seinen Sandweg entlangmühten. Eine Kette von Scheinwerferlichtern tanzte und blinkte, als die Fahrzeuge über den unebenen Weg holperten. Vereinzelte Lichter beschrieben wahre Bocksprünge und verrieten, daß ihre Fahrer den Weg verlassen hatten und über die offene Prärie fuhren. Habakuk zählte siebzehn Paar Scheinwerfer. Er schlüpfte in Hosen und Schuhe, ging nach unten, erweckte den Herd knisternd zum Leben und setzte Kaffee auf. Dann ging er auf die Veranda, um seinen Kaffee zu trinken und seine Morgenzigarre zu rauchen und das erste Fahrzeug vorfahren zu sehen. Im Osten hellte sich der Himmel auf.
    Der Wagen blieb vor der untersten Stufe der Verandatreppe stehen, und ein Mann mittlerer Größe stieg aus. Er sah die Glut von Habakuks Zigarre und sprach ihn an.
    »Tag, Sir. H. H. Potts von der Vertragsabteilung von Condor Awl aus Oklahoma City. Habe gehört, daß bei Ihnen ein Brunnen Öl spuckt.«
    »Das war gestern nachmittag. Vielleicht er hat jetzt aufgehört.«
    »Wo ich schon da bin, können wir uns die Sache ansehen und die Geologen und Prüfer entscheiden lassen, was sie davon halten.« Die Worte wurden begleitet von einer Handbewegung zu den Scheinwerfern, die sich im Hof sammelten. »Sobald Frau Sonne uns ein bißchen Licht gibt, fahren wir hin. Komisch, hierherzukommen. So dunkel. Überall sonst ist der Panhandle gut ausgeleuchtet mit dem Gas. Aber hier ist es stockfinster. Na, das werden wir bald ändern, wie?«
     
    Habakuk faßte Abneigung gegen diesen Mann, der ihn – wie er spürte – reinlegen wollte. Der Mann stand jetzt auf der Veranda und wippte vor und zurück.
    »Sie hätten nicht zufällig eine Tasse Kaffee übrig?« sagte H. H. Potts. »Ich mußte mitten in der Nacht aufbrechen, hatte unterwegs nur einen Hamburger und eine Flasche Bitzelwasser.«
    »Nein«, sagte Habakuk nur.
    In dem darauf eintretenden Schweigen veränderte sich etwas unmerklich, doch wenige Pulsschläge später, als den Hof gähnende und sich streckende Menschen füllten und der Himmel die Farbe von Wassermelonensaft annahm, sagte H. H. Potts mit ausdrucksloser Stimme: »Dann wollen wir es uns wenigstens ansehen. Wenn es Awl ist, können wir Ihnen einen Pachtvertrag anbieten.«
    Habakuk bestand darauf, die Karawane persönlich zum Fundort zu führen. Er wollte nicht in H. H. Potts’ Wagen fahren. Und irgend jemand mußte ihnen den Weg zeigen. Der Brunnen war fast zwei Meilen von der Veranda entfernt, etwa in der Mitte von Habakuks Land. Die tanzenden Scheinwerfer in seinem Rückspiegel ärgerten ihn. Er argwöhnte, daß es mit Frieden und kontemplativer Stille auf der Kampen Ranch unwiederbringlich vorbei sein würde. Wie hatte dieser Mann weit weg in Oklahoma City von dem Öl erfahren können? Wozu brauchten sie diese ganzen Geologen? Wenn Öl da war, war Öl da. Wozu mutmaßen und spekulieren, wenn es jeder sehen konnte? Als er durch das letzte Tor fuhr, das Ace offengelassen hatte, weil noch kein Vieh auf der Weide war, sah er die schwarze Silhouette des Bohrgeräts vor dem rosa Himmel und bald darauf den seidigen Schimmer eines Ölsees auf dem Boden, der die Morgendämmerung reflektierte. Habakuk bremste vor dem Ölsee und stieg aus. Hinter ihm hielt H. H. Potts an. Beide hörten das Zischen, mit dem das Erdgas austrat.
    »Mein Gott, wie das stinkt«, sagte Habakuk.
    »So stinkt Geld«, sagte der Pächter in spe. »Das Öl sprudelt ganz munter, keine Frage. Du lieber Himmel, verdammt weit östlich, wenn es zum Amarillo-Bogen gehört, aber was soll es sonst sein? Keine Frage, Sie sind auf Öl gestoßen, in ziemlich geringer Tiefe. Wie tief haben Sie gebohrt?«
    »Ich weiß nicht. Das war mein Partner. Wir haben uns vorgestellt sechzig oder hundert Meter, vielleicht so etwas. Ich weiß es nicht. Er hat mir nicht gesagt, wie tief. Vier Tage Arbeit, vielleicht fünf?«
    »Das ist verdammt nah an der Oberfläche. Die Bohrlöcher im Panhandle sind normalerweise an die tausend Meter tief. Bei Aufschlußbohrungen dauert es sechzig bis neunzig Tage, um an das Öl zu

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