Mitten in der Nacht
lief man ständig Gefahr, den Milizen Generalin Renaults zu begegnen. »Sie sind wie die Ameisen«, sprudelte es aus ihm heraus. »Kriechen durch die Holzverkleidung, wenn man gerade nicht aufpasst.«
»Wovon redest du?«
»Menschen. Überall. Pass auf den Eimer auf. Der Ballsaal könnte sicher sein.«
»Du fühlst dich wohl ganz schön unter Druck, cher?«
»Ich könnte mir einen schönen Urlaub auf Maui vorstellen, bis das hier vorbei ist. Aber ich muss zugeben, dass ich die Frauen bewundere.«
»Tatsächlich.« Sie ließ ihren Blick über Leitern, Planen, den Bauschutt schweifen – und über die beiden Frauen, die sich dadurch ihren Weg bahnten und dabei Tüll und Spitze in ihren Köpfen und vor Augen hatten. »Wieso?«
»Man ist dem Wahnsinn nahe und führt dennoch eine höfliche Konversation über Rhododendren.« Er spähte durch die Türen des Ballsaals und seufzte erleichtert. »Die Luft ist rein. Andererseits wäre bei all den Hitzköpfen hier sonst auch schnell der Teufel los. Na ja...« Er trat ein. »Was sagst du?«
Die Wände waren blassrosa, der Fußboden glänzte golden.
»Er ist sehr groß.«
»Das muss es auch sein für das kleine Fest. Die Generalin meint, es werden zweihundertfünfzig Leute kommen. Aber man kann auch mit Hilfe der Schiebetüren ein paar kleinere Salons daraus zaubern.«
Er ging auf eine der großen Türen zu und zog sie auf. »Ist das nicht fabelhaft?« Anerkennend streichelte er mit seinen Fingern über das geschnitzte Holz. »Diese Handwerkskunst. Von vor mehr als hundert Jahren. Ich verstecke sie ungern. Siehst du, wie das Muster zu den Deckenmedaillons passt? Tibald hat unglaublich gute Arbeit geleistet, als er die restauriert hat.«
Das Gespräch mit ihrer Großmutter hatte Lena ziemlich in Rage gebracht, doch sie genoss die Ablenkung, Declans unverfälschte Freude und seinen Stolz zu beobachten.
»Das ist wahre Liebe, nicht wahr? Du und dieses Haus. Die meisten Männer sehen eine Frau nicht so an wie du dir diese Türen.«
»Dich sehe ich aber auch so an.«
Sie musste sich abwenden. »Du machst es einem verdammt schwer, an seiner Wut festzuhalten. Sag mir, warum du nicht wütend bist, Declan. Warum bist du nicht wütend, dass sie dich bestohlen hat?«
»Ich bin es. Und wenn sich eine Gelegenheit ergeben sollte, sie wieder zu sehen, würde sie das auch erfahren.«
»Du solltest zur Polizei gehen.«
»Ich habe daran gedacht. Dann bekomme ich eventuell einen Teil des Geldes wieder, aber für Miss Odette wäre es sehr beschämend.«
»Sie schämt sich doch ohnehin schon.«
»Ich weiß. Warum sollte man es noch schlimmer machen? Die Dinge, die mir wichtig sind, habe ich zurückerhalten.«
Aufs Neue brannte die Bitterkeit in ihr hoch. »Sie ist in dein Haus gekommen und hat deine Sachen durchwühlt. Sie hat dich beklaut.«
Auf den Ton ihrer Stimme reagierte er mit einem Stirnrunzeln. »Steigerst du dich wieder in deine Wut hinein?«
»Verdammt. Verdammt noch mal, Declan, sie ist in dein Haus eingedrungen. Das ist was anderes, als wenn sie sich was von mir oder Großmama nimmt. Wie viel hat sie gestohlen?«
»Ein paar tausend.«
Lenas Gesicht wurde hart. »Morgen bekommst du einen Scheck von mir.«
»Du weißt genau, dass ich ihn zerreißen werde. Lass es gut sein, Lena. Ich habe meine Lektion verdient. Wenn man mit einem Haus voller Wertgegenstände und Bargeld auf dem Land leben möchte, dann kann man halt nicht so einfach weggehen und alles offen und unbewacht zurücklassen.«
»Sie hätte auch ein Fenster eingeschlagen.«
»Ja. Deshalb schaffe ich mir bald ein paar Hunde an. Ich wollte von klein auf schon ein Rudel Hunde. Nach der Hochzeit werde ich mich mal im Tierheim umsehen. Möchtest du mich begleiten?«
Sie schüttelte nur den Kopf. »Du verlierst zweitausend Dollar – und ich wette, dass es mehr war – an eine Drogenabhängige und Diebin und reagierst darauf, indem du dir ein paar Hunde anschaffst.«
»Weil ich mir vorstellen kann, daran Spaß zu haben. Was meinst du? Sie werden auch deine Hunde sein.«
»Hör auf, Declan.«
»Huhu.« Mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht ging er auf sie zu. »Komm, wir holen uns ein paar Mischlingswelpen, Lena. Dann haben wir schon Übung, bevor die Kinder kommen.«
»Du holst dir deine eigenen Welpen.« Aber es war ihm gelungen, ihr ein Lächeln zu entlocken. »Und darfst ihnen dann hinterherrennen, wenn sie auf deine Teppiche pinkeln und deine Schuhe anknabbern.«
»Vielleicht bringt Rufus ihnen ja
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