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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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schnell Manieren bei. Du trägst mein Ohrringe«, bemerkte er, als er seine Arme um sie schlang und begann sich mit ihr im Tanz zu wiegen.
    »Das sind jetzt meine Ohrringe.«
    »Du denkst aber an mich, wenn du sie anziehst.«
    »Kann sein. Aber dann denke ich, wie hübsch sie an mir aussehen, und vergesse dich sofort wieder.«
    »Dann werde ich mir also was anderes einfallen lassen müssen, damit du dich erinnerst.«
    »Eine Halskette.« Sie bürstete mit ihren Fingern seine Nackenhaare gegen den Strich und dann hoch bis zum Kopf. »Oder ein paar hübsche glitzernde Armreife.«
    »Ich hätte eher an einen Zehenring gedacht.«
    Sie lachte und schmiegte sich enger an ihn, damit sie ihre Wange an seine legen konnte. Sie tanzten Walzer, in Lenas Kopf spielte die Melodie dazu. Eine, die sie ihn unzählige Male summen oder pfeifen gehört hatte. Sie roch seinen Arbeitstag an ihm – den Schweiß, den Staub – und darunter ein Hauch, ein feiner Hauch der Seife seiner Morgendusche. Seine Wange war ein wenig rau an ihrer, denn er hatte es versäumt, sich zu rasieren.
    Wäre das Leben doch ein Märchen, dachte sie. Könnten sie ewig so verharren. Immer im Kreis herum auf dem glatten Parkett tanzen, während die Sonne unterging und sie in einem Blumenmeer und in den Lichtern Hunderter winziger Kristallprismen badeten.
    »Ich hege so starke Gefühle für dich. Mehr als ich jemals für jemanden empfunden habe oder empfinden wollte. Ich weiß nicht, was ich damit anstellen soll.«
    »Gib sie mir«, bettelte er und drückte seine Lippen in ihr Haar. »Ich werde gut darauf aufpassen.«
    Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie das laut ausgesprochen hatte.
    Das hatte sie auch nicht beabsichtigt. Doch jetzt, als sie wieder um Abstand bemüht war, zog er sie enger heran. So nah, so fest, dass sie kaum Luft bekam.
    Ihr drehte sich alles, und die Musik in ihr wehte zum Himmel. Der strenge Lilienduft, der ihr in die Nase stieg, erstickte sie fast.
    »Hörst du es?« Ihre Hände zitterten, als er sie an den Armen packte. »Violinen.«
    »Ich kann nicht...« Seine Stimme klang so weit weg, und als sie sich auf sein Gesicht zu konzentrieren versuchte, schien sich ein anderes darüber zu schieben. »Mir ist schwindelig.«
    »Lass uns hinsetzen.« Ohne ihre Arme loszulassen, zog er sie auf den Boden. »Du hast es auch gehört. Die Musik. Du hast es auch gespürt.«
    »Warte einen Moment.« Sie musste erst wieder zu sich kommen. Bis auf sie beide war der Raum leer. Es gab keine Musik, kein Kristalllicht, keine Blumentöpfe voller duftender weißer Lilien. Doch sie hatte es gehört, gesehen, gerochen. »Ich wusste nicht, dass Halluzinationen so ansteckend sind.«
    »Es war keine Halluzination. Es ist die Erinnerung. Irgendwie hat es mit Erinnern zu tun. Sie haben hier getanzt, Lucian und Abigail, wie wir auch. Einander geliebt, wie wir.« Als sie den Kopf schüttelte, fluchte er. »Na gut, verdammt noch mal, er hat sie geliebt, wie ich dich liebe. Und etwas zwischen ihnen ist noch immer lebendig. Eventuell etwas, was zu Ende geführt oder auch nur anerkannt werden muss. Wir sind hier, Lena.«
    »Ja, wir sind hier. Und ich lebe nicht das Leben einer anderen.«
    »So funktioniert das auch nicht.«
    »Es fühlte sich aber so an. Und das Leben eines anderen zu leben bedeutet, den Tod eines anderen zu sterben. Er hat sich da draußen im Teich ertränkt, und sie –«
    »Sie starb in diesem Haus.«
    Lena holte zur Beruhigung tief Luft. »Je nachdem, welcher Geschichte man Glauben schenkt.«
    »Ich weiß, dass es so war. Oben, im Kinderzimmer. Etwas ist ihr da oben widerfahren. Und er hat es nie erfahren. Er starb vor Kummer, es nicht zu wissen. Ich muss es für ihn herausfinden. Und für mich. Und dazu brauche ich deine Hilfe.«
    »Was kann ich tun?«
    »Komm mit mir ins Kinderzimmer. Wir stehen uns jetzt näher. Vielleicht kannst du dich dieses Mal erinnern.«
    »Declan.« Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände. »Für mich gibt es nichts zu erinnern.«
    »Du hängst mir draußen Flaschen in die Bäume, sitzt aber hier und leugnest jegliche Möglichkeit von Reinkarnation, die du schließlich als Erste ins Spiel gebracht hast.«
    »Das tue ich nicht. Für mich gibt es nichts zu erinnern, weil ich nicht Abigail bin. Du bist es.«
    Sie hätte sich genauso gut ein paar Schlagringe anziehen und ihm die Faust in die Magengrube rammen können. Der Schock ihrer Worte ließ ihn schwanken.
    »Hör auf. Das ist unmöglich.«
    »Warum nicht?«
    »Weil...« Verwirrt

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