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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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angeschlagene Kachel. Vielleicht würde er sie so belassen. Es musste ja nicht alles so perfekt sein. Man sollte Unfälle hinnehmen und ihren Schaden verkraften können.
    Er wollte das Haus zu neuem Leben erwecken, aber bedeutete das auch, es genau wieder in den Zustand zu versetzen, in dem es einst gewesen war? Längst hatte er Veränderungen vorgenommen, und durch diese war es zu seinem Eigentum geworden.
    Wenn er die Kachel nun ersetzen ließe, wäre das eine Anerkennung der Geschichte dieses Hauses oder eine Neuerschaffung?
    Ein glückliches Heim war es nie gewesen.
    Bei diesem Gedanken wurde ihm ganz kalt, obwohl er mit dem Rücken zum lodernden Feuer saß.
    Ein kaltes, kaltes Haus, voller Geheimnisse, Wut und Neid.
    Tod.
    Sie wollte sich ein Buch holen. Lesen bereitete ihr große Freude – eine Freude, die lang anhielt und neue Horizonte eröffnete. Wenn sie in der Bibliothek vor den vielen Büchern stand, die sich auf den Regalen reihten, überkam sie eine feierliche Stimmung wie in der Kirche.
    Da Lucian sich mit seinem Vater wegen der Buchführung über Pacht- und Ernteerträge im Arbeitszimmer eingeschlossen hatte und der Regen gegen die Fenster trommelte, konnte sie einem ruhigen Lesenachmittag frönen.
    Noch war es ungewohnt für sie, tun und lassen zu können, was und wie es ihr beliebte, und so schlich sie sich in den Raum, als wäre es ein verbotenes Vergnügen. Sie musste keine Wäsche mehr falten, keine Tische mehr abstauben, kein Geschirr mehr schleppen.
    Sie war nicht mehr länger Dienerin in diesem Haus, sondern eine Ehefrau.
    Ehefrau. Sie liebkoste dieses Wort. Es war noch so neu, glänzte so frisch. Wie auch das Leben neu war, das in ihr wuchs. So neu, dass sie Lucian davon noch nichts erzählt hatte.
    Ihre Monatsregel war überfällig und das war nie der Fall. Drei Tage hintereinander war ihr beim Aufwachen übel gewesen. Aber sie würde noch warten, noch eine Woche. Wenn sie zu früh darüber spräche, würde es womöglich nicht wahr werden.
    Und sie wünschte sich doch so sehr ein Kind. Wie gern wollte sie Lucian ein Kind schenken. Während sie an den Regalen entlangschlenderte, legte sie eine Hand auf ihren Leib und stellte sich den schönen Sohn oder die Tochter vor, die sie zur Welt bringen würde.
    Und vielleicht, aber nur vielleicht, würde ein Kind Lucians Mutter gnädiger stimmen. Vielleicht brächte ein Kind Freude in das Haus, wie die Hoffnung darauf ihr das Herz erfreute.
    Sie entschied sich für Austens Stolz und Vorurteil. Sie fand den Titel ansprechend. In Manet Hall war beides im Überfluss vorhanden. Sie biss sich auf die Lippen, als sie es durchblätterte. Als Leserin war sie langsam und sehr genau, aber Lucian meinte, es beweise nur, dass sie die Worte zu genießen verstehe.
    Sie fand eher, dass sie darüber stolperte, aber es wurde immer besser. Zufrieden mit sich, drehte sie sich um und entdeckte Julian, der mit einem Kurzen in der Hand und der Flasche im Ellbogen in einem der weinroten Sessel lümmelte.
    Sie beobachtete.
    Er machte ihr Angst. Sie fühlte sich von ihm abgestoßen. Aber sie sagte sich, dass sie nun keine Dienerin mehr sei. Sie war die Frau seines Bruders und sollte sich um ein freundschaftliches Verhältnis bemühen.
    »Hallo, Julian. Ich habe dich nicht gesehen.«
    Er hob die Flasche und schenkte sich Brandy nach. »Dieses Buch«, sagte er, ehe er einen tiefen Schluck nahm, »hat Worte von mehr als einer Silbe.«
    »Ich kann lesen.« Ihr Rückgrat richtete sich pfeilgerade auf. »Ich lese gern.«
    »Und was magst du sonst noch, chère?«
    Ihre Finger klammerten sich ans Buch, als er aufstand, lockerten sich aber wieder, da er auf den Kamin zuging und dort einen Stiefel auf den Kaminrost stellte und seinen Ellbogen auf dem Kaminsims abstützte.
    »Ich lerne reiten. Lucian bringt es mir bei. Ich kann es zwar noch nicht richtig, aber es macht mir Spaß.« Ja, sie wollte mit ihm befreundet sein. Das Haus hatte Wärme und Lachen und Liebe verdient.
    Er lachte und sie hörte den Alkohol heraus. »Du kannst bestimmt reiten. Wenn du einen Mann reitest, bringst du ihn bestimmt ins Schwitzen. Bei meinem Bruder mögen deine Unschuldsaugen ja ihre Wirkung tun – er ist immer ein Narr gewesen. Aber ich weiß, wer du bist und worauf du aus bist.«
    »Ich bin die Frau deines Bruders.« Es musste ein erster Schritt gemacht werden, um diesen Hass zu überwinden. Lucian und des in ihr heranwachsenden Kindes zuliebe tat sie ihn und ging auf Julian zu. »Mein einziges Ziel

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