Mitten in der Nacht
ihrer Stirn und strich ihm damit über seine Stirn. Daraufhin musste er lächeln.
»Das ist wahrscheinlich ein Sakrileg, aber dennoch danke. Wie spät ist es?« Er schaute auf seine Uhr und fluchte. »Ich muss dieses verdammte Ding wegbringen. Ständig bleibt sie stehen. Ich weiß, dass Mittag längst vorbei ist, und ganz gewiss haben wir noch nicht Mitternacht.«
»Es ist fünf. Du hast gesagt, ich solle möglichst zeitig kommen.«
»Ja, natürlich. Komm, lass uns zurückgehen und draußen Wein trinken.«
Die ersten Minuten beobachtete sie ihn sehr genau, aber er schien sich wieder gefasst zu haben, als er den Wein auswählte. Er holte danach schöne alte Gläser aus seinen neuen Schränken.
Lena musste zugeben, dass er ihr einen gewaltigen Schrecken eingejagt hatte. Sie war sich sicher gewesen, dass er vorhatte, ins Wasser zu gehen, sich zwischen den Seerosen zu ertränken, wie das auch Lucian Manet getan hatte.
Als sie sich dessen klar wurde, eröffnete sich ihr ein ganz neues Spektrum an Möglichkeiten. »Declan...«
»Ich habe Steaks und ich besitze einen Grill«, verkündete er, als er ihr Wein einschenkte. Er musste sich auf ganz normale Dinge konzentrieren – um sich wieder im Hier und Jetzt zu verwurzeln. »Jeder echte Mann kann Steaks grillen. Solltest du aber kein rotes Fleisch essen, müssen wir mit der tiefgefrorenen Pizza vorlieb nehmen.«
»Wenn ich schon Fleisch esse, sollte ich mir wohl um die Farbe keine Gedanken machen. Lass uns rausgehen und uns hinsetzen. Mir ist gerade was durch den Kopf gegangen.«
Sie gingen zu den beiden Holzkisten, die er zum Sitzen benutzte.
»Was wäre, wenn es keine Geister wären? Oder nicht nur Geister?«, fragte sie ihn.
»Oh, nicht gerade ein aufmunternder Gedanke. Was hätte ich denn dann? Vampire? Werwölfe? Vielleicht irgendwelche Fleisch fressenden Zombies. Da werde ich gleich viel besser schlafen, danke.«
»Was hältst du von Reinkarnation?«
»Frühere Leben? Seelenrecycling?« Er zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht recht.«
»Ich fand das immer sehr rationell – und fair obendrein. Jeder hat schließlich mehr als eine Chance verdient, findest du nicht? Womöglich erinnerst du dich an Dinge, die hier passiert sind, weil du hier schon einmal gelebt hast. Vielleicht bist du ja Lucian, der nach all den Jahren wegen seiner Abigail zurückkommt.«
»Eine romantische Vorstellung. Ich bin gern Lucian, wenn du Abby sein willst.«
»Wählen kannst du nicht. Und wenn du dich über diese Vorstellung lustig machst, dann werde ich kein Wort mehr darüber verlieren.«
»Ist schon gut, reg dich nicht auf.« Er trank einen Schluck Wein und starrte brütend ins Leere. »Deiner Theorie nach bin ich also hier, und diese Dinge passieren, weil ich ein vergangenes Leben als Lucian Manet geführt habe.«
»Das ist nicht weiter hergeholt als die Geschichte mit dem Spukhaus, die du problemlos geschluckt hast. Das würde auch erklären, weshalb du das Haus gekauft hast, es haben musstest. Und warum du so hart arbeitest, um seine Schönheit wieder aufleben zu lassen. Warum du oben im Schlafzimmer die Möbel gesehen hast.«
»Reinkarnation«, wiederholte er. »Klingt besser als Gehirntumor.«
»Wie bitte?«
Er schüttelte den Kopf und nippte wieder. »Nichts.«
»Du glaubst, du hättest einen Tumor im Gehirn? So ein Unsinn, Declan.« Ihre Stimme klang schärfer als beabsichtigt, also fuhr sie sanfter fort. »Das ist einfach Unsinn, cher. Mit deinem Kopf ist genauso alles in Ordnung wie mit deinen sonstigen Körperteilen.«
»Natürlich. Ich habe nur laut gedacht.«
Aber sie durchschaute ihn und stand auf, um sich rittlings auf seinen Schoß zu setzen. »Du hast also wirklich Angst, etwas in deinem Kopf zu haben, das dich Dinge sehen, Dinge tun lässt?«
»Ich habe keine Angst. Ich bin nur... Pass auf, ich werde mich ein paar Tests unterziehen, um sämtliche Möglichkeiten auszuschließen.«
»Du bist nicht krank, cher.« Sie hauchte ihm einen Kuss auf die eine, dann auf die andere Wange. Nie war ihr ein Mann begegnet, der so konsequent und mühelos die zärtliche Seite in ihr ansprach. »Das garantiere ich dir. Aber sollte es dich beruhigen, wenn ein toller Arzt dir dasselbe sagt, dann ist das auch in Ordnung.«
»Erzähl bloß Remy nichts davon.« Er nahm ihre Hand, bis sie sich zurücklehnte, um ihm in die Augen zu sehen. »Er hat die Hochzeit vor der Brust. Und den Kopf mit anderen Dingen voll.«
»Dann hast du also vor, ganz allein zu den
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