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Mitten ins Herz - Roman

Titel: Mitten ins Herz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
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Auch die Rituale sind die gleichen. Zum Mittagessen wird sich an den kleinen Tisch in der Küche gesetzt.
    An diesem Küchentisch, unter den wachsamen Augen meiner Mutter, haben Valerie und ich unsere Schulaufgaben gemacht. Und jetzt, vermute ich, leisten Angie und Mary Alice meiner Mutter in der Küche Gesellschaft.
    Es ist gar nicht so einfach, sich erwachsen zu fühlen, wenn sich in der Küche der Mutter nichts verändert. Es ist, als würde die Zeit stillstehen. Ich komme in die Küche, und noch immer will ich mein Sandwich in Dreiecke geschnitten haben.
    »Hast du das Leben nicht manchmal satt?«, fragte ich meine Mutter. »Ich meine, hat es je einen Zeitpunkt gegeben, an dem du gerne etwas Neues angefangen hättest?«
    »Meinst du, ins Auto steigen und so lange fahren, bis man an den Pazifischen Ozean kommt? Oder eine Abrissbirne gegen diese Küche schwingen? Oder sich von deinem Vater scheiden lassen und Tom Jones heiraten? Nein. Über solche Dinge denke ich nie nach.« Sie hob den Deckel von der Kuchenplatte und sah sich ihre Napfkuchen an. Halb schokoladenbraun mit weißem Zuckerguss, halb sandfarben mit Schokoladenguss und auf der beigen Seite bunte Streusel. Sie murmelte irgendwas, was sich anhörte wie »Scheiß-Napfkuchen«.
    »Was?«, fragte ich nach. »Ich habe dich nicht verstanden.«
    »Ich habe nichts gesagt. Geh rein und setz dich hin.«
    »Ob du mich heute Abend wohl mit dem Auto zum Beerdigungsinstitut
bringen könntest?«, sagte Grandma zu mir. »Rusty Kuharchek wird bei Stiva aufgebahrt. Mit Rusty bin ich zusammen zur Schule gegangen. Das wird bestimmt eine sehr schöne Totenfeier.«
    Ich hatte ohnehin nichts Besonderes vor. »Klar«, sagte ich, »mache ich. Du musst nur eine Hose anziehen. Ich fahre mit der Harley.«
    »Eine Harley? Seit wann hast du denn eine Harley?«, wollte Grandma wissen.
    »Ich hatte Ärger mit meinem Wagen, deswegen hat Vinnie mir ein Motorrad geliehen.«
    »Du wirst deine Großmutter nicht auf der Harley mitnehmen«, sagte meine Mutter. »Sie fällt runter und bricht sich alle Knochen.«
    Mein Vater hielt wohlweislich den Mund.
    »Das wird schon gehen«, sagte ich. »Ich habe einen zweiten Helm dabei.«
    »Du trägst die Verantwortung«, sagte meine Mutter. »Wenn etwas passiert, dann musst du sie auch später im Pflegeheim besuchen.«
    »Vielleicht sollte ich mir lieber selbst ein Motorrad zulegen«, sagte Grandma. »Darf man auch kein Motorrad mehr fahren, wenn einem der Führerschein entzogen wurde?«
    »Nein!« , kam es wie aus einem Mund. Keiner in der Familie wollte Grandma wieder auf den Straßenverkehr loslassen.
    Mary Alice hatte aufgegessen, mit dem Gesicht über den Teller gebeugt, weil Pferde nicht mit Messer und Gabel essen. Als sie den Kopf hob, war ihr Mund mit Kartoffelpüree und Soße verschmiert. »Was ist eine Lesbe?«, fragte sie.
    Wir erstarrten.

    »Das sind Mädchen, die Freundinnen haben statt Freunde«, sagte Grandma.
    Angie nahm ihre Milch. »Homosexualität soll das Resultat einer Chromosomenaberration sein.«
    »Das hätte ich als Nächstes gesagt«, meinte Grandma.
    »Und wie ist das bei Pferden?«, fragte Mary Alice. »Gibt es lesbische Pferde?«
    Wir sahen uns an. Darauf hatten wir keine Antwort.
    Ich stand von meinem Platz auf. »Wer will Napfkuchen?«

15
    Meistens machte sich Grandma für die Aufbahrungen im Beerdigungsinstitut Stiva extra fein. Sie hat eine Vorliebe für schwarze Lackpumps und weite, faltenreiche Röcke für den Fall, dass knackige Kerle unter den Gästen sind. Als Zugeständnis an das Motorrad trug sie diesmal eine Hose und Sportschuhe.
    »Ich brauche unbedingt passende Motorradkleidung«, sagte sie. »Heute kommt meine Rente, da werde ich morgen gleich als Erstes welche kaufen, jetzt, wo ich weiß, dass du eine Harley hast.«
    Ich bestieg das Motorrad, und mein Vater half Grandma auf den Beifahrersitz hinter mir. Ich steckte den Schlüssel in den Anlasser, brachte den Motor auf Touren, und der Auspuff röhrte.
    »Alles klar?«, rief ich Grandma zu.
    »Alles klar!«, rief sie zurück.
    Ich fuhr auf der Roosevelt Street bis zur Hamilton Avenue, und schon kurze Zeit später rollten wir bei Stiva auf den Parkplatz.
    Ich half Grandma beim Absteigen und nahm ihr den Helm ab. Sie trat einen Schritt zurück und glättete ihre Kleidung. »Jetzt weiß ich, warum die Leute so auf Harleys abfahren«, sagte sie. »Die rütteln einen ordentlich wach untenrum , findest du nicht?«

    Rusty Kuharchek war in »Schlummerraum« Nummer

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