Mitten ins Herz - Roman
mit meiner Oma aus.«
»Eddie DeChooch bringt kaum noch Menschen um«, beruhigte mich Vinnie. »Er hat den grauen Star. Bei seinem letzten Versuch, jemanden zu töten, hat er ein ganzes Magazin in ein Bügelbrett verschossen.«
Vinnie betreibt eine Kautionsagentur in Trenton, New Jersey. Vincent Plum, Kautionsmakler. Wird jemand eines Verbrechens angeklagt, hinterlegt Vinnie vor Gericht eine Barkaution; das Gericht setzt den Angeklagten bis zum Prozesstermin auf freien Fuß, und Vinnie kann nur hoffen, dass sein Schützling zum Gerichtstermin auch wieder erscheint. Sollte der Angeklagte sich dazu entschließen, auf das Vergnügen eines Gerichtsprozesses zu verzichten, ist Vinnie sein Geld los, es sei denn, ich spüre den Vermissten auf und führe ihn wieder der Justiz zu. Ich bin Stephanie Plum, Kautionsdetektivin, sprich: Kopfgeldjägerin. Ich hatte den Job damals angenommen, weil die Zeiten schlecht waren und nicht einmal die Tatsache, dass ich mit meiner Examensnote zu den oberen achtundneunzig Prozent meines College-Jahrgangs gehörte, mir zu einer besseren Position verhalf. Die wirtschaftliche Lage hat sich seitdem verbessert, und eigentlich gibt es keinen vernünftigen Grund, warum ich immer noch hinter den Bösen herrenne, außer dass es meine Mutter aufregt und ich bei der Arbeit keine Strumpfhose tragen muss.
»Lieber würde ich den Job Ranger übertragen, aber der ist außer Landes«, sagte Vinnie. »Bleibst nur noch du übrig.«
Ranger ist eine Art Söldner, der gelegentlich auch als Kopfgeldjäger tätig ist. Er ist ein Profi, bei allem, was er anfasst. Er kann einem Angst machen. »Was hat Ranger denn außer Landes zu tun? Was heißt überhaupt ›außer Landes‹? Asien? Amerika? Miami?«
»Er nimmt in Puerto Rico eine Verhaftung für mich vor.« Vinnie schob mir einen Schnellhefter hin. »Hier ist die Kautionsvereinbarung für DeChooch und eine Festnahmebefugnis. DeChooch hat mich Fünfzigtausend gekostet, für dich kommen also fünftausend dabei rum. Fahr rüber zu DeChooch und find heraus, warum er gestern nicht zur Anhörung vor Gericht erschienen ist. Connie hat bei ihm zu Hause angerufen, aber es ist keiner rangegangen. Scheiße, vielleicht liegt er tot in seiner Küche! Ein Rendezvous mit deiner Oma hat schon so manchen umgehauen.«
Vinnies Büro ist in der Hamilton Avenue, was auf den ersten Blick keine Topadresse für eine Kautionsagentur ist. Die meisten Agenturen befinden sich gegenüber vom Gefängnis. Der Unterschied besteht darin, dass viele Personen, für die Vinnie eine Kaution stellt, entweder Verwandte oder Nachbarn sind und in den Querstraßen zur Hamilton wohnen, in Chambersburg, kurz: Burg. Ich bin in Burg aufgewachsen, und meine Eltern wohnen noch immer da. Eigentlich ist es eine ziemlich sichere Wohngegend, weil die Kriminellen aus Burg peinlich darauf achten, ihre Taten lieber woanders zu begehen. Außer einmal vielleicht, als Jimmy Testament Zwei-Zehen-Garibaldi im Schlafanzug aus seinem Haus verschleppte und ihn auf die Müllkippe verfrachtete. Immerhin, die tödliche Prügelei fand nicht in Burg statt. Und die Männer, deren Leichen man im Keller des Süßwarenladens in der Ferris Street entdeckte, stammten nicht aus Burg, statistisch gesehen sind die also auch nicht relevant.
Connie Rosolli blickte auf, als ich aus Vinnies Arbeitszimmer trat. Connie ist unsere Büroleiterin. Sie schmeißt den Laden, wenn Vinnie Bösewichte aufscheucht und/oder mal wieder Unzucht mit Haustieren treibt.
Connie hatte ihr Haar auf den dreifachen Umfang ihres
Kopfes hochtoupiert, trug einen rosa Pullover mit V-Ausschnitt, unter dem sich Brüste wölbten, zu denen eine wesentlich größere Frau gepasst hätte, und einen knappen schwarzen Strickrock, der einer wesentlich schmaleren Frau gestanden hätte.
Connie gehört zum Inventar, seit Vinnie das Geschäft gegründet hat. Sie hat nur deswegen so lange durchgehalten, weil sie sich nichts bieten lässt und den mageren Sold an besonders schlechten Tagen mit einem Griff in die Portokasse aufbessert.
Als sie mich mit dem Schnellhefter in der Hand sah, verzog sie das Gesicht. »Hast du wirklich vor, Eddie DeChooch hinterherzulaufen?«
»Ich kann nur hoffen, dass er tot ist.«
Lula fläzte sich auf dem Kunstledersofa, das an der Wand aufgestellt war und Kautionsnehmern sowie ihren bedauerlichen Angehörigen als Ankerplatz diente. Lulas Haut und der Sofabezug hatten beide den gleichen braunen Farbton, nur Lulas Haare hoben sich davon ab,
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