Mitten ins Herz - Roman
tauchten Edna und die beiden Witzbolde auf. Mir gelingt aber auch gar nichts mehr.« Er nahm
sich ein Plätzchen. »Nicht mal einen guten Selbstmord krieg ich hin. Scheißprostata. Ich habe mich mit dem Cadillac quer auf die Gleise gestellt. Dann bin ich sitzen geblieben und habe auf den Tod gewartet. Und was passiert? Ich muss pinkeln. Ständig muss ich pinkeln. Ich stehe also auf und gehe zu einem Strauch, um mein Wasser abzuschlagen, und in dem Moment kommt der Zug. Ausgerechnet! Jedenfalls wusste ich nicht, was ich machen sollte, und ich habe mich verdrückt. Bin wie ein Feigling weggelaufen.«
»Es war ein unglaublicher Zusammenstoß.«
»Ja, ich habe es gesehen. Mann o Mann, der Zug muss den Cadillac hunderte von Metern vor sich hergeschoben haben.«
»Wo haben Sie den neuen Wagen her?«
»Kurzgeschlossen.«
»Ein paar Dinge können Sie also doch noch.«
»Die einzigen Gliedmaßen an meinem Körper, die noch funktionieren, sind meine Finger. Ich kann nicht sehen. Ich kann nicht hören. Ich kann nicht pinkeln.«
»So was lässt sich beheben.«
Er spielte mit dem Plätzchen. »Es gibt Dinge, die lassen sich nicht beheben.«
»Das hat mir Grandma erzählt.«
Er schaute irritiert auf. »Das hat sie Ihnen erzählt? Meine Güte. Ihr Frauen könnt einfach euer Maul nicht halten.«
Ich schenkte zwei Tassen Kaffee ein und reichte DeChooch eine. »Waren Sie deswegen schon mal bei einem Arzt?«
»Mit Ärzten rede ich nicht. Bevor man sich’s versieht, schnippeln sie schon an einem rum und schwatzen einem ein Implantat auf. Ich will so ein blödes Penisimplantat nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Dass ich mit Ihnen darüber rede - ich fasse es nicht. Wieso rede ich mit Ihnen darüber?«
Ich lächelte ihn an. »Mit mir kann man über alles reden.« Außerdem hatte er hundertprozentig was intus. DeChooch konnte ordentlich was vertragen. »Wo wir schon mal so nett beisammensitzen, könnten Sie mir doch auch von Loretta Ricci erzählen.«
»Meine Fresse, das war eine heiße Nummer. Sie lieferte das Essen auf Rädern aus und ist über mich hergefallen. Ich habe ihr gesagt, ich würde dazu nicht mehr taugen, aber sie wollte nicht auf mich hören. Sie sagte, sie könnte noch jeden dazu bringen … na, Sie wissen schon … es zu treiben. Da habe ich mir gedacht, was soll’s, was habe ich schon groß zu verlieren? Stimmt doch, oder? Und schon fummelt sie unten an mir rum, und tatsächlich, sie hat Glück, es bewegt sich was. Und gerade als ich denke, jetzt geht’s los, da kippt sie um und stirbt. Wahrscheinlich Herzinfarkt, von der schweren Arbeit. Ich habe versucht, sie wieder zu beleben, aber sie war mausetot. Ich war so stinksauer, dass ich sie erschossen habe.«
»Sie sollten sich mal eine Wutbewältigungsstrategie überlegen«, sagte ich.
»Ja, das haben mir andere auch schon geraten.«
»Man hat gar kein Blut gefunden. Keine Schusswunden.«
»Sehe ich vielleicht aus wie ein Amateur?« Sein Gesicht bekam Falten, und eine Träne rollte ihm die Wange hinunter. »Ich bin wirklich deprimiert«, sagte er.
»Wetten, dass ich Sie aufheitern kann?«
Er sah mich ungläubig an.
»Es geht um Louies Herz.«
»Was ist damit?«
»Es war nicht sein Herz.«
»Wollen Sie mich verarschen?«
»Ich schwör’s Ihnen.«
»Wessen Herz war es dann?«
»Es war ein Schweineherz. Ich habe es bei einem Metzger gekauft.«
DeChooch lächelte. »Man hat Louie D. also mit einem Schweineherz in der Brust beerdigt?«
Ich nickte mit dem Kopf.
Er fing an in sich hineinzulachen. »Wo ist denn Louies richtiges Herz geblieben?«
»Das hat ein Hund gefressen.«
Jetzt lachte DeChooch schallend. Er lachte, bis er einen Hustenanfall bekam. Als er sich wieder in der Gewalt hatte und das Husten und Lachen aufhörte, sah er an sich herab. »Herrgott noch mal! Ich habe eine Erektion.«
Männer kriegen in den unmöglichsten Momenten Erektionen.
»Sehen Sie doch nur«, sagte er. » Sehen Sie sich das an! Wunderschön! Steif wie ein Brett.«
Ich sah sie mir an. Es war eine ziemlich standhafte Erektion.
»Na, so was!«, sagte ich. »Wer hätte das gedacht.«
DeChooch strahlte. »Dann kann ich ja wohl doch noch nicht so alt sein.«
Er kommt ins Gefängnis. Er kann nicht sehen, nicht hören, und kein Gang aufs Klo geht unter einer Viertelstunde ab. Aber er hat eine Erektion, und alle anderen Probleme sind nichts dagegen. Das nächste Mal komme ich als Mann auf die Welt. Die Prioritäten sind klar definiert. Das Leben kann so einfach
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