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Mitten ins Herz - Roman

Titel: Mitten ins Herz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
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Grandma. »Ach du dickes Ei! Was ist denn mit dir los? Du siehst aus wie dieser eine Sänger.«
    »Ich weiß«, blaffte ich. »Ich weiß.«
    »Wo ist Joseph?«, fragte mich meine Mutter. »Der kommt doch sonst immer samstags zum Abendessen.«
    »Wir haben uns irgendwie - getrennt.«
    Alle hörten auf zu essen, außer mein Vater. Mein Vater nutzte die Gelegenheit, um sich eine zweite Portion Kartoffeln aufzutun.
    »Das geht nicht«, sagte meine Mutter. »Du hast doch schon ein Hochzeitskleid.«
    »Das Kleid habe ich abbestellt.«
    »Weiß Joseph das?«
    »Ja.« Ich versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen, widmete mich meinem Essen und bat Valerie, mir die Bohnen zu reichen. Ich muss das hier durchstehen, dachte ich, und ich werde es durchstehen. Ich bin eine Blondine. Ich kann alles.
    »Es liegt an der Frisur, oder?«, fragte meine Mutter. »Er hat die Hochzeit wegen der Frisur abgesagt.«
    »Ich selbst habe die Hochzeit abgesagt, und ich will nicht darüber reden.«
    Es schellte, und Valerie sprang auf. »Das ist für mich. Meine Verabredung.«
    »Eine Verabredung!«, sagte meine Mutter. »Das ist ja wunderbar!
Du bist erst seit ein paar Tagen hier und hast schon eine Verabredung.«
    Im Geist verdrehte ich die Augen. Meine Schwester ist ahnungslos. Das kommt dabei heraus, wenn man als braves Mädchen aufwächst. Nie lernt man den Wert von Lüge und Täuschung zu schätzen. Ich habe die Jungs, mit denen ich verabredet war, nie mit zu uns nach Hause genommen. Mit Jungs verabredete man sich im Einkaufszentrum, damit die Eltern keinen Schlaganfall bekamen, wenn der neue Freund mit Tattoos und gepiercter Zunge zu Hause erschien. Oder wenn es sich, wie in diesem Fall, um eine Lesbe handelte.
    »Das ist Janeane«, stellte uns Valerie eine kleine, schwarzhaarige Frau vor. »Ich habe sie bei dem Vorstellungsgespräch in der Bank kennen gelernt. Den Job habe ich nicht gekriegt, aber Janeane hat mich gefragt, ob ich mit ihr ausgehe.«
    »Das ist ja eine Frau«, stellte meine Mutter fest.
    »Ja, wir sind lesbisch!«, sagte Valerie.
    Rumms! Meine Mutter fiel in Ohnmacht. Platt auf den Boden.
    Alle sprangen auf und liefen zu ihr.
    Sie machte die Augen auf, aber eine halbe Minute lang bewegte sie keinen Muskel. Dann schrie sie: »Eine Lesbe! Heilige Maria! Frank, deine Tochter ist lesbisch!«
    Mein Vater sah Valerie blinzelnd an. »Hast du da eine von meinen Krawatten umgebunden?«
    »Du hast vielleicht Nerven«, schimpfte meine Mutter, die immer noch rücklings auf dem Boden lag. »Die ganzen Jahre über, in denen du normal und mit einem Mann verheiratet warst, hast du in Kalifornien gelebt. Und kaum bist du hier, wirst du lesbisch. Reicht es nicht, wenn deine Schwester auf andere Menschen schießt? Was habe ich bloß für eine Familie!«

    »Ich schieße so gut wie nie auf andere Menschen«, sagte ich.
    »Ich möchte wetten, dass man als Lesbe einige Vorteile hat«, konstatierte Grandma. »Wenn man eine Lesbe heiratet, ist man wenigstens die Sorge los, jemand könnte den Klodeckel aufgeklappt lassen.«
    Ich fasste meine Mutter unter einen Arm,Valerie fasste sie unter den anderen, und gemeinsam stellten wir sie auf die Beine.
    »Siehst du«, plapperte Valerie vergnügt. »Geht’s dir schon besser?«
    »Besser?«, sagte meine Mutter. »Besser?«
    »Wir müssen jetzt los«, sagte Valerie und verzog sich in den Flur. »Ihr braucht nicht auf mich zu warten. Ich habe einen Hausschlüssel.«
    Meine Mutter entschuldigte sich, spazierte in die Küche und warf einen Teller zu Boden.
    »Ich habe noch nie erlebt, dass sie Geschirr auf den Boden schmeißt«, sagte ich zu Grandma.
    »Die Messer schließe ich heute Abend lieber ein«, sagte Grandma. »Zur Sicherheit.«
    Ich folgte meiner Mutter in die Küche und half ihr beim Scherbenauflesen.
    »Ist mir aus der Hand gerutscht«, entschuldigte sich meine Mutter.
    »Habe ich mir fast gedacht.«
    Im Haus meiner Eltern scheint sich nie irgendwas zu verändern. Die Küche sieht immer noch so aus wie früher, als ich noch ein kleines Mädchen war. Ab und zu werden die Wände gestrichen, die Gardinen ausgewechselt. Vergangenes Jahr wurde ein neuer Linoleumboden verlegt. Haushaltsgeräte werden weggeworfen, wenn sie nicht mehr zu
reparieren sind. Das ist auch schon das ganze Ausmaß der Küchenrenovierungen. Die Kartoffeln werden von meiner Mutter seit fünfunddreißig Jahren in demselben Topf gekocht. Die Gerüche sind auch die gleichen: Kohl, Apfelsoße, Schokoladenpudding, Schmorbraten.

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