Mitten ins Herz - Roman
depressiven Rentner her, der mich als dumme Göre vorführte. Zwei meiner Freunde waren spurlos verschwunden. Ich selbst sah aus, als hätte ich gerade mit George Foreman im Ring gestanden. Ich hatte ein Hochzeitskleid, das ich nicht tragen wollte, und ich hatte einen Saal angemietet, den ich gar nicht nutzen wollte. Morelli wollte mich heiraten, und Ranger wollte mir … Was Ranger mit mir vorhatte, daran sollte ich lieber gar nicht denken. Ach ja, und dann war da ja noch Melvin Baylor, der zu Hause bei meinen Eltern auf dem Sofa lag.
Ich stieg aus der Dusche, zog mich an und trieb nur minimalen Aufwand mit meinen Haaren, da rief Connie an.
»Hast du von Tante Flo und Onkel Bingo noch mehr erfahren?«, fragte ich sie. »Ich muss wissen, was in Richmond schief gelaufen ist. Wonach die alle suchen. Es ist etwas, das kühl aufbewahrt werden muss. Vermutlich Medikamente.«
»Woher weißt du, dass es kühl aufbewahrt werden muss?«
»Von DeChooch.«
»Hast du mit DeChooch gesprochen?«
»Er ruft mich an.« Manchmal fasse ich es selbst nicht, was für ein Leben ich führe. Ich bin hinter einem NVGler her, und der ruft mich an. Ist das nicht absurd?
»Mal sehen, was sich machen lässt«, sagte Connie.
Als Nächstes rief ich Grandma an.
»Ich brauche Informationen über Eddie DeChooch«, sagte ich. »Kannst du dich mal umhören?«
»Was genau willst du wissen?«
»Er hatte Ärger in Richmond, und jetzt sucht er nach irgendetwas. Ich will wissen, wonach.«
»Ich kümmere mich drum.«
»Ist Melvin Baylor noch da?«
»Nein. Er ist nach Hause gegangen.«
Ich verabschiedete mich gerade von Grandma, als es klopfte. Ich öffnete die Tür einen Spalt und schaute hinaus. Es war Valerie. Sie trug einen maßgeschneiderten schwarzen Hosenanzug, dazu ein weißes, gestärktes Hemd und eine schwarz-rot gestreifte Herrenkrawatte. Die Meg-Ryan-Zottel klebten ihr hinter den Ohren.
»Oh, ein neuer Look«, stellte ich fest. »Gibt’s einen Anlass?«
»Mein erster Tag als Lesbe.«
»Das wüsste ich aber.«
»Doch, ich meine es ernst. Worauf soll ich noch warten? Ich habe mich entschieden, einfach ins kalte Wasser zu springen. Ich werde mir Arbeit suchen und eine Freundin. Es gibt keinen Grund, zu Hause zu sitzen und wegen einer gescheiterten Beziehung zu schmollen.«
»Ich dachte nicht, dass es ernst gemeint war, neulich Abend. Hast du denn schon, äh, Erfahrung als Lesbe?«
»Nein, aber so schwer kann es ja nicht sein.«
»Ich weiß nicht, ob mir das gefällt«, sagte ich. »Sonst bin ich immer das schwarze Schaf in der Familie. Diese neue Entwicklung könnte meine Stellung erheblich verändern.«
»Sei nicht albern«, sagte Valerie. »Das ist denen doch völlig schnuppe, ob ich lesbisch bin oder nicht.«
Valerie hatte eben schon viel zu lange in Kalifornien gelebt.
»Jedenfalls«, sagte sie, »habe ich ein Vorstellungsgespräch. Sehe ich gut aus? Ich will meine sexuelle Orientierung nicht verschweigen, aber ich will auch nicht gleich wie eine Kampflesbe auftreten.«
»Meinst du die Motorradlesben in Montur?«
»Genau. Ich stehe eher auf lesbischen Schick.«
Bei meiner geringen lesbischen Erfahrung war mir nicht ganz klar, was unter lesbischem Schick zu verstehen war. Ich kannte Lesben nur aus dem Fernsehen.
»Bei den Schuhen bin ich mir nicht sicher«, sagte ich. »Schuhe sind immer ein heikles Kapitel.«
Sie trug zierliche schwarze Lackledersandalen mit niedrigem Absatz. Die Fußnägel waren grellrot lackiert.
»Kommt ganz darauf an, ob du lieber mit Herren- oder Damenschuhen rumlaufen willst«, sagte ich. »Bist du vom Typ her eher die frauliche oder eher die männliche Lesbe?«
»Gibt es zwei verschiedene Arten von Lesben?«
»Das weiß ich nicht. Hast du dich denn nicht mal sachkundig gemacht?«
»Nein. Ich dachte, lesbisch wäre Unisex.«
Wenn sie als Lesbe schon Probleme damit hatte, was sie anzog , was würde da erst passieren, wenn sie sich auszog ?
»Ich habe mich um einen Job im Einkaufszentrum beworben«, sagte Valerie. »Und es gibt noch ein zweites Angebot in der Stadt. Ich wollte dich fragen, ob wir die Autos tauschen können. Ich will einen guten Eindruck machen.«
»Was für ein Auto fährst du denn jetzt?«
»Onkel Sandors 53er Buick.«
»Ein Kraftpaket«, sagte ich. »Eindeutig lesbisch. Eignet sich viel besser als mein CR-V.
»Das hätte ich nie gedacht.«
Ich schämte mich ein bisschen, denn ich hatte keine Ahnung, ob ein Buick Baujahr’53 wirklich so eine Lieblingskarre von
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