Mitternacht
heißt, ich bin nicht da und kann dich nicht unterstützen. Aber das ist wahrscheinlich die Absicht der großen Geister - daß du dich ganz allein als würdig erweisen mußt.
Aber wir haben wenigstens die nächsten Tage, es zu planen, damit du am Sonntag vorbereitet bist.«
»Ja«, sagte der Junge verträumt. »Ja. Wir planen es gemeinsam.«
Am Spätnachmittag kam der Richter von einer geschäftlichen Sitzung im Anschluß an eine Gerichtsverhandlung nach Hause. Er beschwerte sich über die Hitze und ging sofort nach oben, um zu duschen. Tommys Mutter war eine halbe Stunde vorher heimgekommen. Sie saß in einem Sessel im Wohnzimmer, hatte die Füße auf einen Polsterschemel gelegt und las die neueste Ausgabe von Town & Country; dazu trank sie einen, wie sie es nannte »Cocktail vor der Cocktailstunde<. Sie sah kaum auf, als der Richter hereinkam und verkündete, daß er duschen würde.
Kaum war sein Vater nach oben gegangen, ging Tommy in die Küche und holte ein Fleischmesser vom Regal beim Herd. Runningdeer war draußen und mähte den Rasen. Tommy ging ins Wohnzimmer, lief zu seiner Mutter und küßte sie auf die Wange. Der Kuß überraschte sie, aber noch mehr das Messer, das er ihr dreimal in die Brust stieß. Er ging mit demselben Messer nach oben und rammte es dem Richter in den Magen, als dieser aus der Duschkabine herauskam. Er ging in sein Zimmer und zog sich aus. Er hatte kein Blut auf den Schuhen, nur wenig auf den Jeans, aber eine Menge auf dem Hemd. Nachdem er sich rasch im Waschbecken gewaschen und alle Spuren des Blutes hinuntergespült hatte, zog er sich frische Jeans und ein sauberes Hemd an. Er wickelte die blutigen Kleidungsstücke sorgfältig in ein Handtuch und trug sie auf den Dachboden, wo er sie in einer Ecke hinter einer Seemannskiste verstaute. Er könnte sie später wegschaffen.
Unten ging er am Wohnzimmer vorbei, ohne seine tote Mutter anzusehen. Er ging schnurstracks ins Arbeitszimmer des Richters und machte die untere rechte Schreibtischschublade auf. Er zog den Revolver des Richters hinter einem Aktenstapel hervor.
In der Küche schaltete er die Deckenbeleuchtung aus, so daß das einzige Licht durchs Fenster kam, ein paar Teile des Raums lagen in düsteren Schatten. Er legte das Messer auf die Arbeitsplatte neben dem Kühlschrank, in den Schatten.
Er legte den Revolver auf einen der Stühle am Tisch und zog den Stuhl nur ein Stück hervor, wodurch der Revolver leicht zu ergreifen, aber nicht leicht zu sehen war.
Er ging durch die Verandatür der Küche auf die Veranda hinaus und rief Runningdeer. Der Indianer hörte den Jungen
über das Dröhnen des Rasenmähers nicht, sah aber auf und sah ihn winken. Er schaltete den Rasenmäher stirnrunzelnd ab und kam über den halb gemähten Rasen zur Veranda.
»Ja, Thomas?« sagte er, weil er wußte, daß der Richter und Mrs. Shaddack zu Hause waren.
»Meine Mutter braucht deine Hilfe für irgend etwas«, sagte Tommy. »Sie hat mich gebeten, dich zu holen.«
»Meine Hilfe?«
»Ja. Im Wohnzimmer.«
»Was will sie denn?«
»Sie braucht Hilfe beim... nun, es ist einfacher, dir das zu zeigen, anstatt es lange zu erklären.«
Der Junge folgte ihm durch die Verandatür in die große Küche, am Kühlschrank vorbei zur Tür der Diele.
Tommy blieb unvermittelt stehen, drehte sich herum und sagte: »Ach ja, Mutter hat gesagt, du wirst das Messer brau chen, das hinter dir auf der Platte, neben dem Kühlschrank.« Runningdeer drehte sich um, sah das Messer im Schatten auf der Arbeitsplatte liegen und hob es auf. Er riß die Augen auf. »Kleiner Häuptling, an dem Messer ist Blut. An dem Messer ist...«
Tommy hatte schon den Revolver vom Küchenstuhl genommen. Als der Indianer sich überrascht zu ihm umdrehte, hielt Tommy die Waffe mit beiden Händen fest und feuerte, bis die Trommel leer war, obwohl ihm der Rückstoß
schrecklich in Armen und Schultern weh tat und ihn beinahe umgeworfen hätte. Der Indianer wurde von mindestens zwei Kugeln getroffen, eine zerfetzte Runningdeer den Hals. Der Indianer fiel heftig zu Boden. Das Messer fiel ihm aus der Hand und rutschte polternd über den Boden.
Tommy kickte das Messer mit einem Schuh näher an den Leichnam heran, damit es tatsächlich so aussah, als hätte der sterbende Mann es in der Hand gehabt.
Der Junge hatte die Botschaft der großen Geister besser verstanden als sein Mentor. Sie wollten, daß er sich sofort
von allen freimachte, die Macht über ihn hatten: der Richter, seine Frau und
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