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Mitternachtserwachen

Mitternachtserwachen

Titel: Mitternachtserwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Mignani
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seinem Körper, und augenblicklich fühlte sie sich besser. Dankbar lächelte sie ihn an, während sie auf das enge T-Shirt starrte, unter dem sich Muskeln abzeichneten, die in ihr den Wunsch weckten, ihm den Stoff vom Leib zu reißen.
    „Wir müssen schnellstmöglich hier raus, Kleines.“
    Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie unheimlich es an diesem Ort war. Außerhalb der Fackel herrschte Dunkelheit, nicht ein Stern war wegen der Regenwolken am Himmel zu sehen, und der Mais wirkte bedrohlich. Hoch ragte er neben ihnen auf, nahm ihr die Luft zum Atmen, als rückten die Pflanzen fortwährend näher. Der ein Meter breite Weg erschien zu schmal und verlor sich im schwarzen Nichts. Die Flamme knisterte, und Aileen befürchtete, sie würde erlöschen.
    „Keine Angst, das Licht ist nicht natürlichen Ursprungs, sie wird nicht ausgehen.“
    Woher hatte er gewusst, dass sie das gedacht hatte?
    „Ich kann deine Gedanken lesen.“
    Was? Auf einmal spürte sie ein seltsames Gefühl in ihrem Kopf, und ihre Stirn brannte genauso entsetzlich wie vorhin in ihrer Küche. Lior sah aus, als wolle er von ihr fortrennen.
    „Ich sollte dich deinem Schicksal überlassen, Jägerin.“
    Jägerin? Sie war Vegetarierin und hatte seit fünf Jahren kein Stück Fleisch gegessen. Am liebsten hätte sie sich von Lior losgerissen und wäre in die entgegengesetzte Richtung geflüchtet. Doch das wäre das Dümmste, was sie tun könnte. Wieso verachtete er sie dermaßen? Sie war ehrlich genug zuzugeben, dass es wehtat, und es machte sie zornig. Sie hoffte, wenn sie aus dem Labyrinth gefunden hatten, würden sie getrennte Wege gehen.
    „Ganz so unschuldig, wie du tust, bist du nicht. Du hast mich gerade aus deinen Gedanken katapultiert, und deine Stirn trägt die Zeichnung einer Marbhadair.“
    Sie begriff nicht ein Wort, von dem, was er sagte, aber es erfüllte sie mit tiefer Panik, weil sie jetzt befürchtete, er würde sie zurücklassen. Lior packte seufzend ihre Hand. „Komm. Und was auch immer geschieht, bleib dicht bei mir.“ Warm und beruhigend lagen seine Finger um ihre. „Ich bring uns erst mal hier raus, und dann sehen wir weiter.“ Lior setzte sich in Bewegung, und Aileen blieb keine andere Wahl, als ihm zu folgen.
    Wenn es wenigstens zu regnen aufhören würde! Aber nein, der Regen wurde stärker, und sie hatte das Gefühl, dass die Temperatur sekündlich sank.
    Lior bewegte sich, trotz seiner Größe, leichtfüßig und stolperte nicht ein Mal. Sie dagegen tappte hinter ihm her wie ein betrunkener Hobbit einem Elben.
    Lior hielt nicht an der Kreuzung an und bog rechts ab. Ob er wirklich wusste, welchen Weg sie nehmen mussten? Oder wollte er sie nicht verunsichern? Inzwischen sah sie ihren Atem, der kleine Wolken bildete. Das war unmöglich in dem starken Regen. Das durfte doch nicht wahr sein! Dicke Flocken rieselten auf sie herab und bedeckten den Boden. Es war September!
    Lior blieb so abrupt stehen, dass sie auf ihn prallte. Gott, der Kerl bestand aus Eisen. Aileen lugte um ihn herum und wünschte sich augenblicklich sie hätte es nicht getan.
    Die Fackel flackerte über die toten Engel, die auf einer etwa fünf mal fünf Meter großen freien Fläche lagen. Sie waren ausgeweidet, Köpfe und Flügel abgetrennt, und der Anblick rammte gegen sie wie ein Schlag, der sich in ihrem Magen festsetzte. Stimmen wisperten in der Luft, und etwas Schattenhaftes zischte an ihr vorbei.
    Liors ohnehin harter Körper versteifte sich vor ihr, und er fluchte in einer fremden Sprache. Eine Gestalt löste sich vor ihnen aus dem Dunkel, die eine dermaßen entsetzliche Aura besaß, dass Aileen den Reiz unterdrückte, sich an Lior zu klammern und ihr Gesicht gegen seinen Brustkorb zu pressen. Das Böse, das von der Kreatur ausging, legte sich wie ein eisiger Ölfilm auf ihren Leib, lähmte ihren Herzschlag und prickelte ihr auf der Haut. Lior befahl ihr, hinter ihm zu bleiben.
    Aileen wusste, sollte dieses Wesen sie erreichen, würde es sie beide töten.
    „Lior, mein Freund. Ich glaube, du brauchst Hilfe.“ Die Stimme war ausgewogen, dunkel, verführerisch. Sie vermochte nicht auszumachen, woher sie kam, denn sie umschwebte sie, hüllte sie ein. Eine flirrende Wand breitete sich erst zwischen ihnen und der Kreatur aus, bis der Schutz sie würfelartig umschloss. Lior atmete aus.
    Geschickt fing Lior aus der Luft ein Schwert auf, das auf ihn zuflog. Er hielt den Griff auf eine Weise, die Aileen klar aufzeigte, er war ein Meister im Umgang mit dieser

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