Mitternachtsfalke - Auf Den Schwingen Der Liebe
ihn in die Schulter getroffen. Aber als wir die Lady gesehen haben, hatten wir Angst, sie zu treffen“, erklärte Ashton.
Gregory stapfte durch den Raum. Bei jedem Schritt schlug er sich mit der Gerte gegen den Schenkel. Sein eisiger Blick verriet deutlich, welche Gefühle in ihm brodelten.
Er konnte es nicht fassen. Eigentlich hatte er gehofft, schon sehr bald die zwanzig Goldstücke für den Mitternachtsfalken zu kassieren. Stattdessen hatte er nun auch noch seine Verlobte verloren. Dabei war Julia für ihn doch der einzige Weg, jemals an Geld und Ansehen zu gelangen. Wenn ihr nun etwas passierte, oder sie gar getötet würde, was sollte dann aus ihm werden? Er hatte sich so auf seine Männer verlassen, dass ihm nun der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Bisher hatten ihn die zwei stämmigen, starken und gnadenlosen Blackworth Brüder noch nie im Stich gelassen. Nun mussten sie eben versuchen, ihren Fehler wieder gutzumachen! Sie mussten sie einfach finden. Und wenn er diesen Schmuggler erst in die Finger bekäme, würde er ihm mit dem größten Vergnügen jeden Zentimeter Haut vom Rücken peitschen.
„Ihr werdet dorthin zurückkehren, wo ihr die Spur des Kerls verloren habt. Schon einmal hat euch der Vogel den Weg gezeigt. Vielleicht tut er es erneut. Wenn nicht, dann erwarte ich, dass ihr jeden Stein einzeln umdreht und diese Berge so lange durchkämmt, bis ihr Julia findet“, befahl er.
Olivia, die inzwischen ihre Fassung wiedererlangt hatte, bat schüchtern:
„Bitte meine Herren, beeilt Euch. Wer weiß, was dieser ehrlose Bandit unserer Julia alles antut. Ich fürchte, so ein Mensch schreckt vor nichts zurück.“
Nathan, dem dieser Gedanke anscheinend noch gar nicht gekommen war, wich alle Farbe aus dem Gesicht.
„Was steht ihr hier noch herum? Findet meine Tochter! Und wagt es ja nicht, ohne sie zurückzukommen!“
Als etwas Ruhe eingekehrt war und die Schritte seiner Männer in der Halle verklangen, ergriff Gregory noch einmal das Wort. Er strich sich die Haare nach hinten und kaute an seinen Fingernägeln herum.
„Nathan, ich glaube nicht, dass der Kerl es wagt, Hand an Julia zu legen. Er weiß mit Sicherheit, dass sein Leben sonst keinen Pfifferling mehr wert wäre“, gab er zu bedenken.
„Ja sicher, aber ich fürchte, dass der Mann Schwierigkeiten haben könnte, mit seinem Kopf zu denken, schließlich ist Julia nur mit ihrem Nachtgewand bekleidet“, schimpfte Olivia und deutete auf das zerwühlte Bett ihrer Nichte.
Die Vorstellung, was der Mitternachtsfalke mit seiner Tochter tun würde, war zu viel für Nathan. Ohne ein weiteres Wort erhob er sich, schleppte sich in sein Arbeitszimmer, wo er sich einsperrte und seinen Kummer im Alkohol zu ertränken versuchte. Erst hatte er seine geliebte Sophia verloren und nun war auch noch Julia in Gefahr. Einen weiteren Verlust konnte er nicht verkraften. Zum Glück würde Gregory alles daran setzten, seine Tochter zu retten. Zum Glück!
Robby war außer sich vor Sorge. Das Herz war ihm beinahe in die Hose gerutscht, als er heute Morgen nahe Fannys Hütte zufällig auf Julias Pferd gestoßen war. Das Tier hatte genüsslich auf einem Büschel Sauerampfer gekaut. Unsicher, was er tun sollte, hatte er die Gegend nach Julia abgesucht. Als er sie nirgends hatte finden können, war er hierher zum Herrenhaus gekommen. Irgendetwas war schrecklich schiefgelaufen! Gerade eben hatte er von Miss Lane erfahren, dass seine Freundin verschwunden war. Er rannte das Stück zurück in den Wald, wo er die Stute versteckt hatte und führte sie zu den Stallungen. Das Herz schlug ihm bis um Hals, als er sich an die Bretter der Stallwand drückte. Angestrengt lauschte er hinter der Ecke, ob der Stallbursche seiner Arbeit nachging. Gerade wollte er es wagen, da trat John durch das offenstehende Tor ins Freie. Schnell sprang Robby zurück und hoffte, er habe ihn nicht gesehen. Julias Stute tänzelte unruhig und er fürchtete schon, sie würde ihn verraten. Vorsichtig spähte er ums Eck. John hatte es sich auf einem Strohballen vor dem Stall gemütlich gemacht und kaute versonnen auf einem Apfel herum, während er seine schmutzigen Stiefel von sich streckte. Da es in den letzten Tagen nur geregnet hatte, genoss der Stallbursche seine Pause im warmen Sonnenschein anscheinend sehr. Robby wurde von Minute zu Minute unruhiger. Wie lange konnte er das Pferd noch stillhalten? Schließlich stand John auf, streckte sich und trottete dann in Richtung Küche davon. Darauf
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