Mitternachtsfalke - Auf Den Schwingen Der Liebe
sicherlich sehr froh sein, dass der Falke nun tot ist“, hakte Fanny mit klopfendem Herzen nach.
Fieberhaft überlegte sie, was sie nun tun sollte. Julia war überzeugt, dass Drew Warring tot war, ebenso wie der Mann vor ihr annahm, der Falke sei tot. Natürlich kannte er nur Julia als den Mitternachtsfalken und so selbstverständlich, wie er sich hier in Stonehaven aufhielt, schien er nicht zu wissen, dass man eigentlich ihn für den Falken gehalten hatte.
Was sollte sie denn jetzt tun? Musste sie nicht ihrer Freundin sagen, dass der Mann, für dessen Tod sie sich solche Vorwürfe machte, in Wirklichkeit wohlauf war? Würde sie damit Julias Leid nicht noch vergrößern? Unter halb geöffneten Lidern hervor betrachtete Fanny ihren Patienten. Ein äußerst attraktiver Mann, wie sie zugeben musste. Aber auch etwas heruntergekommen. Die Kleidung nicht gerade edel und auch sonst schien er nur sehr wenige Dinge von Wert bei sich zu haben. Definitiv konnte man also sagen: Drew Warring war kein Mann zum Heiraten. Und schon gar nicht für jemanden wie Julia, die immerhin ein beachtliches Erbe antreten würde. Womöglich würde Warring sogar versuchen, deren Gefühle auszunutzen. Das musste sie unter allen Umständen verhindern. Am besten sollte der Kerl Stonehaven so schnell wie möglich verlassen.
„Nein, das kann ich nicht behaupten“, kam Drew auf Fannys Frage zurück. „Ehrlich gesagt tut es mir sogar leid.“
„Natürlich tut es Euch leid, immerhin sind zwanzig Goldstücke ein nettes Sümmchen!“, versuchte Fanny seine deutliche Trauer zu interpretieren.
„Was? Ach das Gold, deswegen tut es mir nicht leid. Es ist vielmehr so, dass ich nur des Abenteuers wegen hierher gekommen bin“, gestand er.
„Na dann hält Euch hier sicher nichts mehr und Ihr reist bald wieder ab?“, fragte sie hoffnungsvoll.
„Davon ist auszugehen“, antwortete Drew, der nun wirklich gerne wieder allein gewesen wäre. Alles in ihm weigerte sich, Julias Tod hinzunehmen und ein Kloß in seiner Kehle machte ihm das Reden schwer. Als Fanny endlich gegangen war, trat er wütend gegen den Waschtisch, der dieser Kraft nicht standhalten konnte und zusammenbrach, wobei sich das Wasser aus der Waschschüssel über den Boden verteilte. Sein von Kummer gezeichnetes Gesicht spiegelte sich in der Lache zu seinen Füßen.
Am nächsten Morgen hatte er seine wenigen Habseligkeiten zusammengepackt und wartete auf die Kutsche, welche ihn zurück nach London bringen sollte. Dass er bei diesem Abenteuer sein Pferd verloren hatte, war hart für ihn, aber noch schlimmer waren die Erinnerungen an die Schmugglerbraut, die ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen wollten. Seufzend strich er sich das lange Haar aus dem Gesicht und band es im Nacken zusammen. Ungeduldig wartend blickte er in den wolkenverhangenen Himmel. Wenn das Wetter weiterhin so schlecht bliebe, würde die Reise lang und ungemütlich werden. Im nassen Zustand verwandelten sich die Straßen in unwegsame Pisten.
Plötzlich fesselte etwas seine Aufmerksamkeit. Nachdenklich runzelte er die Stirn. Ein Falke zog am Himmel über dem Herrenhaus seine Kreise. Zufall? Für ihn gab es keine Zufälle. Aber der Gedanke, der in seinem Kopf Gestalt annahm, gefiel ihm nicht. Warum sollte Hayes behaupten der Falke sei tot, wenn dem nicht so war? Er kannte diesen Nathan Hayes nicht, aber er hatte Julia gesehen. Was, wenn der Mann sie gefangen hielt? Ob Hayes - genau wie er selbst es getan hatte - bezweifelte, dass Julia der Falke war? Wollte er mit der Behauptung, der Falke sei tot, dem echten Mitternachtsfalken eine Falle stellen? Oder - was mindestens ebenso gut denkbar war - wollte sich der alte Lord etwa unbemerkt an der Schmugglerin vergehen und sie gefangen halten? Sie dann, wenn er ihrer überdrüssig wäre, vermutlich auch noch umbringen, damit niemand hinter sein schändliches Tun kam?
Drew lief aufgebracht die Straße auf und ab. Nach wie vor zog der Falke am Himmel seine Kreise und seine Nerven lagen blank. Vermutlich bildete er sich das alles nur ein. Ein Vogel am Himmel, das war doch nun wirklich nichts Besonderes. Aber warum schlug dann sein Herz so schnell? Warum jubilierte er innerlich, nur weil die winzige Möglichkeit bestand, dass dieses Weib, welches ihm nur Ärger eingebracht hatte, noch am Leben sein könnte?
Und selbst wenn, was konnte er dann gegen Hayes Machenschaften schon ausrichten? Unentschlossen blickte er der Kutsche entgegen, die nun rumpelnd auf ihn zukam. Verdammt, er
Weitere Kostenlose Bücher