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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Deshalb habe ich von Sande bis hier zwei Tage gebraucht.«
    »Du weißt, was du willst, Harald Olufsen.«
    »Ach ja?« Er wusste nicht, ob das als Kompliment gedacht war.
    »Doch, ja. Ehrlich gesagt, so einer wie du ist mir bisher noch nie über den Weg gelaufen.«
    Unterm Strich klingt das gar nicht so schlecht, dachte er. »Ehrlich gesagt, mir geht es mit dir genauso.«
    »Komm, komm. Die Welt wimmelt geradezu von verwöhnten reichen Mädchen, die Balletttänzerin werden wollen. Aber wie viele Leute gibt es, die Dänemark schon mal mit einem Torfmotorrad durchquert haben?«
    Er lachte zufrieden. Eine Minute lang sprach keiner von beiden ein Wort. »Das mit Poul hat mir furchtbar Leid getan«, sagte Harald schließlich. »Das muss ein furchtbarer Schock für dich gewesen sein.«
    »Es war absolut grauenhaft. Ich habe den ganzen Tag geweint.«
    »Standet ihr euch. sehr nahe?«
    »Wir sind nur dreimal miteinander ausgegangen, und ich war nicht in ihn verliebt. Trotzdem war es furchtbar.« Tränen stiegen ihr
    in die Augen; sie schluchzte und schluckte.
    Dass sie in Poul nicht verliebt gewesen war, erfüllte Harald mit klammheimlicher Befriedigung, die er selbst als schäbig empfand. »Es ist sehr traurig«, sagte er und kam sich dabei äußerst scheinheilig vor.
    »Als meine Großmutter starb, brach es mir fast das Herz«, sagte Karin, »aber diesmal war es irgendwie noch schlimmer. Oma war alt und krank, Poul dagegen voller Energie und Witz. Er sah blendend aus und war kerngesund.«
    »Weißt du Näheres über den Unfall?«, fragte Harald vorsichtig.
    »Nein – die Armee verschanzt sich hinter lächerlicher Geheimniskrämerei.« Karens Stimme verriet, dass sie sehr wütend war. »Sie sagen bloß, er ist bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Die Einzelheiten unterliegen der Geheimhaltung.«
    »Vielleicht vertuschen sie was.«
    »Zum Beispiel?«, fragte Karen scharf zurück.
    Harald merkte, dass er ihr nicht sagen durfte, was er dachte, es sei denn, er klärte sie über seine eigene Verbindung zur Widerstandsbewegung auf. »Ihre eigene Inkompetenz vielleicht?«, improvisierte er. »Vielleicht war die Maschine nicht ordnungsgemäß gewartet?«
    »Man kann sich doch nicht einfach auf ein Militärgeheimnis herausreden, wenn man so etwas vertuschen will.«
    »Natürlich können die das. Wer weiß schon, was da wirklich gelaufen ist?«
    »Ich glaube nicht, dass unsere Offiziere so unehrenhaft sind«, erwiderte Karen steif.
    Harald erkannte, dass er sie beleidigt hatte – genau wie bei ihrer ersten Begegnung und aus dem gleichen Grund: Er hatte ihre Gutgläubigkeit in Frage gestellt. »Wahrscheinlich hast du Recht«, sagte er hastig, obwohl er es nicht aufrichtig meinte: Er war sicher, dass sie sich irrte. Aber er wollte keinen Streit mit ihr riskieren.
    Karen erhob sich. »Ich muss zurück, bevor das Haus abgeschlossen wird.« Ihre Stimme klang kühl und reserviert.
    »Nochmals vielen Dank für das Essen und die Decken – du bist ein wahrer Engel der Barmherzigkeit.«
    »Nicht ganz meine übliche Rolle«, sagte sie und klang schon wieder etwas versöhnlicher.
    »Sehe ich dich morgen?«
    »Vielleicht. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Und schon war sie verschwunden.
    H ermia Mount konnte nicht gut schlafen. Sie träumte, sie unterhielte sich mit einem dänischen Polizisten. Das Gespräch war durchaus freundschaftlich, auch wenn sie sehr darauf bedacht war, sich nicht zu verraten. Nach einer Weile ging ihr dann auf, dass sie Englisch miteinander sprachen. Der Mann sprach weiter, als sei nichts geschehen, während Hermia zitterte und jeden Moment damit rechnete, von ihm verhaftet zu werden.
    Als sie aufwachte, lag sie in einem schmalen Gästebett in einer Pension auf der Insel Bornholm. Zu ihrer großen Erleichterung stellte sie fest, dass sie die Begegnung mit dem Polizisten nur geträumt hatte. An der Gefahr allerdings, die ihr in wachem Zustand drohte, war absolut nichts irreal: Sie befand sich in feindlich besetztem Gebiet, führte gefälschte Papiere mit sich, behauptete, eine Sekretärin auf Urlaub zu sein – und wenn man ihr auf die Schliche kam, würde sie als Spionin gehenkt.
    In Stockholm war es ihr und Digby Hoare mithilfe von schwedischen Doubles noch einmal gelungen, ihre deutschen Schatten zu täuschen. Nachdem sie sie abgeschüttelt hatten, waren sie mit dem Zug an die Südküste gefahren und hatten in dem winzigen Fischerdörfchen Kalvsby einen Bootsführer aufgetrieben, der bereit war, sie an der

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