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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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heilige Reliquie, ein mit Juwelen besetzter Kelch oder ein Bildnis der Jungfrau Maria. Von allem, was sich noch erkennen ließ, kam dieser Sims einem Bett noch am nächsten; also legte er sich darauf und versuchte zu schlafen.
    Durch die unverglasten Fenster konnte er Baumwipfel und ein paar Sterne vor dem nachtblauen Himmel sehen. Er dachte an Karen und stellte sich vor, dass sie ihm mit einer liebevollen Geste übers Haar strich und seine Lippen scheu mit den ihren berührte; dass sie ihn umarmte und an sich drückte. Es war eine andere Vorstellung als die, die er mit Birgit Claussen aus Morlunde verband, mit der er in den Osterferien ein paar Mal ausgegangen war. Wenn Birgit in seinen Wunschträumen vorkam, legte sie den BH ab, räkelte sich auf einem Bett oder zerriss ihm aus lauter Hast und Gier das Hemd. Karens Rolle war subtiler – mehr liebe- als lustvoll, obgleich tief in ihren Augen auch immer eine sexuelle Verheißung lag.
    Er fror und stand wieder auf. Vielleicht konnte er in dem Flugzeug schlafen. Er tastete sich im Dunkeln vor und fand die Türklinke, doch als er die Tür öffnete, raschelte es vernehmlich, und ihm fiel wieder ein, dass Mäuse im Polster der Sitze ein Nest gebaut hatten. Er hatte keine Angst vor raschelnden kleinen Lebewesen, fand die Vorstellung, mit ihnen das Bett teilen zu müssen, aber auch nicht gerade angenehm.
    Vielleicht kam der Rolls-Royce in Frage. Harald überlegte, ob er es sich nicht auf dem Rücksitz bequem machen könnte. Auf jeden Fall war der Wagen geräumiger als die Hornet-Moth. Es würde eine Weile dauern, bis er in der Dunkelheit die Plane entfernt hätte, aber vielleicht lohnte sich die Mühe. Andererseits konnte es auch sein, dass der Wagen abgesperrt war.
    Er begann, an der Plane herumzufummeln. Irgendwo musste sie doch befestigt sein. Plötzlich hörte er leise Schritte hinter sich und erstarrte in der Bewegung. Einen Augenblick später strich der Lichtkegel einer Taschenlampe am Fenster vorbei. Hatte die Familie Duchwitz einen Sicherheitsdienst engagiert, der nachts das Gelände kontrollierte?
    Er ging zur Tür, die zum Kreuzgang führte, und sah hinaus. Die Taschenlampe kam näher. Er presste sich mit dem Rücken gegen die Mauer und hielt den Atem an. Dann hörte er eine Stimme: »Harald?«
    Sein Herz überschlug sich fast vor Freude. »Karen!«
    »Wo bist du?«
    »In der Kirche.«
    Der Lichtstrahl fand ihn. Dann richtete Karen die Taschenlampe an die Decke, sodass der gesamte Raum schwach erhellt wurde. Harald sah, dass sie ein großes Bündel bei sich trug. »Ich hab dir ein paar Decken gebracht.«
    Er lächelte. Er war ihr dankbar für die Wärme, doch dass sie überhaupt an ihn gedacht hatte, freute ihn noch viel mehr. »Ich hatte mir gerade überlegt, ob ich nicht in dem Wagen hier schlafen soll.«
    »Dafür bist du zu groß.«
    Sie ließen sich beide auf dem Boden nieder, und als Harald die Decken entfaltete, entdeckte er, dass darin noch etwas anderes verborgen war.
    »Ich dachte mir, dass du vielleicht Hunger hast«, erklärte Karen.
    Im Licht der Taschenlampe erkannte er einen halben Laib Brot, einen kleinen Korb mit Erdbeeren, ein Stück Wurst und eine Feldflasche. Als er den Verschluss aufdrehte, stieg ihm der Duft von frischem Kaffee in die Nase.
    Jetzt merkte er erst, was für einen Heißhunger er hatte. Er machte sich über das Essen her und bemühte sich, nicht alles gleich in sich hineinzuschlingen wie ein ausgehungerter Schakal. Dann miaute es plötzlich irgendwo in der Nähe, und kurz darauf tappte eine Katze in den Lichtkegel. Es war der dürre, schwarzweiße Kater, den er bei seinem ersten Besuch in der Kirche schon gesehen hatte. Er ließ ein Stückchen Wurst zu Boden fallen. Das Tier schnüffelte daran, drehte es mit einer Pfote um und begann es mit zierlichen Bewegungen zu verspeisen. »Wie heißt der Kater?«, fragte Harald Karen.
    »Ich glaube, er hat keinen Namen. Er ist einfach nur ein Streuner.«
    Am Hinterkopf des Katers ragte ein pyramidenförmiges Haarbüschel empor. »Ich glaube, ich nenne ihn Pinetop«, sagte Harald, »nach meinem Lieblingspianisten.«
    »Guter Name.«
    Harald aß alles auf. »Mensch, war das gut! Vielen Dank!«
    »Ich hätte noch mehr mitbringen sollen. Wann hast du denn zum letzten Mal gegessen?«
    »Gestern.«
    »Und wie bist du hergekommen?«
    »Mit meinem Motorrad.« Er deutete auf die Stelle, an der er sein Gefährt geparkt hatte. »Es ist bloß furchtbar langsam, weil es mit Torf angetrieben wird.

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