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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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abwarten und sehen, was passiert.«
    Tilde nickte. Sie nahm ihre himmelblaue Baskenmütze ab und band sich stattdessen ein unauffällig gemustertes Kopftuch um. Flemming beobachtete, wie sie ihre blonden Locken darunter feststeckte. Die kleine äußerliche Veränderung würde die Gefahr, dass Karen sie beim Verlassen des Hauses erkannte und misstrauisch wurde, stark reduzieren.
    Tilde nahm Flemming die Zigarette aus den Fingern, steckte sie sich selbst zwischen die Lippen und sog den Rauch ein, bevor sie sie ihm wieder zurückgab. Es war eine sehr intime Geste. Beinahe, als hätte sie mich geküsst, dachte Flemming. Er spürte, dass Tilde errötete, und wandte den Blick ab, auf Haus Nummer 53.
    Die Tür ging auf, und Karen kam heraus.
    »Da, schau«, sagte er, und Tilde folgte seinem Blick.
    Die Tür schloss sich wieder, und Karen entfernte sich. Niemand begleitete sie.
    »Verdammt!«, sagte Flemming.
    »Und nun?«, fragte Tilde.
    Flemming dachte rasch nach: Angenommen, Arne befindet sich in diesem kleinen gelben Häuschen – dann muss ich Verstärkung holen, das Haus stürmen und ihn mitsamt allen anderen Anwesenden verhaften. Versteckt er sich aber woanders und Karen ist jetzt unterwegs zu ihm – dann müssen wir ihr natürlich weiter folgen.
    Vielleicht hat sie aber auch gar nichts erreicht und fährt jetzt bloß nach Hause.
    Er rang sich zu einer Entscheidung durch. »Wir trennen uns«, sagte er zu Tilde. »Du bleibst Karen auf den Fersen. Ich rufe in der Zentrale an, lasse Verstärkung anrücken und durchsuche das Haus.«
    »In Ordnung.« Tilde beeilte sich, damit sie Karen nicht aus den Augen verlor.
    Flemming ging in das Geschäft. Es war ein Kolonialwarenladen, in dem Gemüse und Brot, Seife und Streichhölzer sowie andere nützliche Dinge für den Haushalt verkauft wurden. Die Regalbretter standen voller Konservendosen, und auf dem Fußboden stapelten sich gebündeltes Feuerholz und Säcke voller Kartoffeln. Der Laden war ziemlich verdreckt, schien aber zu florieren. Flemming zeigte einer grauhaarigen Frau in fleckiger Schürze seinen Polizeiausweis. »Kann ich hier mal telefonieren?«
    »Das kostet aber was.«
    Er fingerte in seiner Tasche nach Kleingeld. »Wo ist das Telefon?«, fragte er ungeduldig.
    Mit einer ruckartigen Kopfbewegung deutete sie auf einen Vorhang im Hintergrund. »Da durch!«
    Flemming warf ein paar Münzen auf die Ladentheke und trat in ein kleines Besuchszimmer, in dem es intensiv nach Katzen stank. Er griff zum Telefon, wählte die Nummer des Politigaarden und ließ sich mit Conrad verbinden. »Ich glaube, ich habe Olufsens Versteck gefunden. St.-Pauls-Gade Nummer 53. Schnappen Sie sich Dresler und Ellegard und kommen Sie so schnell wie möglich mit einem Wagen her.«
    »Schon unterwegs«, sagte Conrad.
    Flemming legte auf und eilte wieder nach draußen. Das Gespräch hatte nicht einmal eine Minute gedauert. Sollte in dieser Zeit jemand das Haus Nummer 53 verlassen haben, so mussten die Betreffenden noch immer auf der Straße zu sehen sein. Flemming spähte in alle Richtungen. Er sah einen alten Mann in einem kragenlosen Hemd, der einen arthritischen Hund spazieren führte. Die beiden bewegten sich mit schmerzhafter Langsamkeit voran. Ein lebhaftes Pony zog einen flachen Karren, auf dem ein Sofa mit durchlöchertem Polster stand. Ein paar Jungs spielten mitten auf der Straße Fußball und benutzten dazu einen alten, völlig abgewetzten Tennisball. Von Arne war weit und breit nichts zu sehen. Flemming überquerte die Straße.
    Einen Augenblick lang erlaubte er sich, in der Vorstellung zu schwelgen, was für eine Genugtuung es wäre, den ältesten Sohn der Olufsens zu verhaften. Welch süße Rache für Vaters Demütigung vor all den Jahren, dachte er. Und da die Entlarvung Arnes als Spion unmittelbar auf den Schul verweis des jüngeren Sohns erfolgte, durfte man annehmen, dass Pastor Olufsens Herrschaft auf Sande endgültig vorüber war. Ein Mann, dessen Söhne sich so schwere Verfehlungen hatten zuschulden kommen lassen, konnte sich nicht mehr aufspielen und predigen – er würde sein Amt aufgeben müssen.
    Das wird Vater freuen, dachte Flemming.
    Da ging die Tür von Haus Nummer 53 auf. Flemming schob die Hand unter sein Jackett und umfasste den Griff seiner Pistole: Der Mann, der aus dem Haus trat, war Arne.
    Es war ein erhebendes Gefühl. Zwar hatte Arne seinen Schnurrbart abrasiert und sich eine Schiebermütze über sein schwarzes Haar gestülpt, doch Peter Flemming, der ihn von

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