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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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aussehendes Motorrad.«
    »Ach, diesen Jungen meinen Sie«, sagte Karen und tat so, als könne sie sich jetzt an ihn erinnern. »Der ist von der Schule geflogen. Papa hat ihm ebenfalls Hausverbot erteilt.«
    »So? Ich glaube, ich werde auf jeden Fall ein Wörtchen mit Ihrem Vater reden müssen.«
    »Er schläft noch.«
    »Dann warte ich.«
    »Wie Sie wünschen. Komm, Thor!« Karen entfernte sich, während Hansen die Zufahrt zum Schloss hinaufstapfte.
    Harald wartete. Karen ging zur Kirche, wo sie sich umdrehte, um festzustellen, ob Hansen sie beobachtete, und schlüpfte dann durchs Portal. Harald konnte nur hoffen, dass Hansen nicht stehen blieb, um mit Ludwig zu reden, der ihm dann womöglich erzählte, er habe einen großen Blonden in der Nähe des Tankwagens gesehen, dessen Verhalten ihm verdächtig vorgekommen sei. Doch Hansen ging glücklicherweise am Lager vorbei und verschwand schließlich hinter dem Schloss; vermutlich wollte er es durch den Kücheneingang betreten.
    Harald hastete zur Kirche und schlüpfte rasch hinein. Drinnen stellte er den gefüllten Kanister auf den Boden.
    Karen machte die große Tür zu, drehte den Schlüssel im Schloss, schob den Riegel vor und wandte sich dann an Harald. »Du musst fix und fertig sein.«
    Das war er tatsächlich. Die Arme taten ihm weh, und auch seine Beine schmerzten von der Hetzerei mit dem schweren Kanister durch den Wald. Während er sich einerseits allmählich entspannte, wurde ihm andererseits von den Benzindämpfen leicht übel. Dennoch war er über alle Maßen glücklich. »Du warst phantastisch!«, sagte er. »Hast mit diesem Ludwig geflirtet, als wäre er der begehrteste Junggeselle von ganz Dänemark!«
    »Er ist mindestens fünf Zentimeter kleiner als ich!«
    »Und Hansen hast du total an der Nase herumgeführt.«
    »Kein Kunststück bei dem.«
    Harald nahm den Kanister wieder auf und verstaute ihn im Innenraum der Hornet Moth auf der Gepäckablage hinter den Sitzen. Als er die Tür wieder schloss und sich umdrehte, sah er Karen direkt hinter sich stehen, ein breites Grinsen im Gesicht. »Wir haben‘s geschafft«, sagte sie.
    »Ja, mein Gott, wir haben es wirklich geschafft!«
    Sie legte die Arme um ihn und sah ihn erwartungsvoll an. Es sah fast so aus, als wollte sie von ihm geküsst werden. Einen Moment lang überlegte Harald, ob er sie um Erlaubnis bitten solle, dann beschloss er, selbst die Initiative zu ergreifen. Er schloss die Augen und neigte sich ihr entgegen. Karens Lippen waren weich und warm. Er hätte eine Ewigkeit so verharren können, bewegungslos, nur die Berührung ihrer Lippen genießend, doch Karen hatte andere Vorstellungen. Sie entzog ihm ihren Mund, dann küsste sie ihn wieder. Erst die Oberlippe, dann die Unterlippe, dann sein Kinn, dann wieder seine Lippen. Ihr Mund war eifrig und verspielt. Harald hatte noch nie zuvor so geküsst. Er öffnete die Augen und sah verblüfft, dass sie ihn mit strahlender Heiterkeit betrachtete.
    »Was denkst du gerade?«, fragte sie.
    »Magst du mich wirklich?«
    »Natürlich, du Dummkopf.«
    »Ich mag dich auch.«
    »Schön.«
    Er zögerte, dann sagte er: »Um die Wahrheit zu sagen, ich liebe dich.«
    »Ich weiß«, sagte sie. Und dann küsste sie ihn noch einmal.
    I m hellen Licht eines Sommermorgens durch die Kleinstadt Morlunde zu spazieren war für Hermia Mount gefährlicher als all ihre Unternehmungen in Kopenhagen, denn in Morlunde war sie bekannt.
    Vor zwei Jahren, gleich nach ihrer Verlobung, hatte Arne sie mit nach Sande genommen und seinen Eltern vorgestellt. Sie war dort mit zur Kirche gegangen, hatte sich ein Fußballspiel angesehen und Arnes Lieblingskneipe kennen gelernt. Auch war sie mit seiner Mutter einkaufen gegangen. Die Erinnerung an diese glücklichen Tage brach ihr jetzt schier das Herz.
    Die Folge ihres damaligen Besuchs war jedoch, dass sich viele Ortsansässige an die englische Braut des älteren der beiden Olufsen- Söhne erinnern würden; ja, es bestand die akute Gefahr, dass der eine oder andere sie wieder erkennen würde. Wenn dies geschah, würden die Leute zu schwatzen beginnen. Es wäre dann lediglich eine Frage der Zeit, bis auch die Polizei von ihrer Anwesenheit erfuhr.
    Obwohl sie an diesem Vormittag einen Hut und eine Sonnenbrille trug, kam sie sich gefährlich exponiert vor. Aber daran ließ sich nichts ändern – sie musste das Risiko auf sich nehmen.
    Den vorangegangenen Abend hatte sie im Stadtzentrum verbracht, weil sie hoffte, dort irgendwo Harald über den

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