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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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mochten Juels Laissez-faire-Haltung nicht, hatten es aber bisher noch nicht auf eine Konfrontation mit ihm ankommen lassen. Juels Verbindungsoffizier zur Besatzungsmacht war General Walter Braun, ein Karrieresoldat, der in der Schlacht um Frankreich einen Lungenflügel verloren hatte. Brauns Ziel war es, Dänemark ruhig zu halten, koste es, was es wolle. Doch solange keine zwingenden Gründe vorlagen, würde er Juel nicht ins Handwerk pfuschen.
    Flemming hatte kürzlich erfahren, dass einige Exemplare der Virkligheden nach Schweden geschmuggelt wurden. Bisher war er verpflichtet gewesen, sich an die Vorgabe seines Chefs zu halten und die Hersteller des Blättchens gewähren zu lassen. Mit der Nachricht, dass die Zeitungen auf unbekannten Wegen ins Ausland gelangten, hoffte er nun, Juels bequeme Selbstzufriedenheit erschüttern zu können. Ein schwedischer Kommissar, mit dem Flemming persönlich befreundet war, hatte gestern Abend angerufen und ihm mitgeteilt, dass die Zeitungen vermutlich mit der Lufthansa-Maschine Berlin – Stockholm, die in Kopenhagen zwischenlandete, nach Schweden gebracht worden waren – und dies war der Durchbruch, der Flemming schon beim Aufstehen in gehobene Stimmung versetzt hatte. Vielleicht war es nur noch ein kleiner Schritt zu einem großen persönlichen Triumph.
    Als die Grütze fertig war, fügte er Milch und Zucker hinzu und trug das Tablett ins Schlafzimmer.
    Er half Inge dabei, sich aufzusetzen, schmeckte den Brei ab, um festzustellen, ob er noch zu heiß war, und begann, seine Frau mit dem Löffel zu füttern.
    Vor einem Jahr, kurz bevor die Benzinrationierung eingeführt wurde, waren Flemming und Inge auf der Fahrt zum Strand von einem jungen Mann in einem brandneuen Sportwagen gerammt worden. Flemming hatte sich beide Beine gebrochen, doch waren die Verletzungen sehr schnell geheilt. Inge hatte dagegen einen Schädelbruch erlitten, und es stand fest, dass sie nie wieder so sein würde wie früher.
    Der Fahrer des Sportwagens, Finn Jonk, war der Sohn eines berühmten Universitätsprofessors. Er war bei dem Unfall aus dem Wagen geschleudert worden und unverletzt in einem Gebüsch gelandet.
    Jonk fuhr ohne Führerschein – er war ihm nach einem früheren Unfall entzogen worden – und war obendrein betrunken. Doch da die Familie Jonk einen Spitzenanwalt eingeschaltet hatte, war der Prozess immer wieder aufgeschoben worden und hatte auch nach einem Jahr noch nicht stattgefunden, sodass der Mann, der Inges Gehirn zerstört hatte, noch immer nicht für seine Tat bestraft worden war. Peters und Inges persönliche Tragödie erwies sich somit als abschreckendes Beispiel dafür, dass es auch in der modernen Gesellschaft immer wieder Fälle gab, in denen himmelschreiendes Unrecht ungesühnt blieb. Man konnte gegen die Nazis sagen, was man wollte – dass sie hart gegen Kriminelle vorgingen, gefiel Peter.
    Nachdem Inge gefrühstückt hatte, führte Flemming sie zur Toilette und badete sie. Sie hatte früher immer so großen Wert auf Sauberkeit gelegt und sehr auf ihr Äußeres geachtet – eine Eigenschaft, die er an ihr besonders schätzte. Vor allem beim Sex war sie auf Hygiene bedacht und wusch sich nachher immer mit großer Sorgfalt – auch dies hatte Flemming gefallen. Nicht alle Frauen waren so. Eine Nachtclubsängerin, die er bei einer Razzia kennen gelernt und mit der er eine kurze Affäre gehabt hatte, wollte nicht, dass er nach dem Sex gleich ins Badezimmer lief und sich säuberte; das sei »nicht romantisch«,
    meinte sie.
    Inge zeigte keinerlei Reaktion, als Peter sie badete, nicht einmal, als er die intimsten Stellen ihres Körpers berührte, und mittlerweile hatte er gelernt, ebenso unbeteiligt zu bleiben. Er trocknete ihre weiche Haut mit einem großen Handtuch ab. Dann kleidete er seine Frau an. Das größte Problem waren die Strümpfe. Zuerst rollte er den Strumpf zusammen, bis nur noch die Zehenpartie hervorschaute, dann streifte er ihn vorsichtig über Inges Fuß, Wade und Knie. Zum Schluss befestigte er ihn an den Clips des Strumpfhaltergürtels. Anfangs hatte es jedes Mal Laufmaschen gegeben. Aber Flemming hatte nicht locker gelassen und konnte, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, sehr geduldig sein. Inzwischen war er ein Fachmann.
    Er half Inge in ein lebhaft gelbes Baumwollkleid, legte ihr eine goldene Armbanduhr um und streifte ihr einen Armreif über. Sie konnte die Uhrzeit nicht nennen, doch manchmal glaubte Flemming den Anflug eines Lächelns zu

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