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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Stahlräder. Harald beugte sich über den Motor und inspizierte ihn. »Was passiert, wenn Sie ihn anlassen?«, fragte er.
    »Ich zeig‘s Ihnen«, sagte Frederik und zog an einem Hebel. Der Motor heulte auf, sprang aber nicht an. »Da ist, glaube ich, eine neue Benzinpumpe fällig«, sagte er und schüttelte verzweifelt den Kopf. »Aber es sind einfach keine Ersatzteile aufzutreiben, für keine von unseren Maschinen.«
    Harald runzelte skeptisch die Stirn. Er konnte den Diesel riechen, was vermuten ließ, dass die Pumpe anstandslos funktionierte, der Diesel aber nicht die Zylinder erreichte. »Können Sie noch mal starten?«
    Frederik zog den Starterhebel, und Harald glaubte, eine winzige Bewegung der Leitung hinter dem Kraftstofffilter zu erkennen. Als er genauer hinsah, fiel ihm auf, dass Diesel aus dem Druckventil sickerte. Er griff hinein, wackelte an der Halterungsmutter und hielt plötzlich das komplette Ventil in der Hand. »Da haben wir den Übeltäter«, sagte er. »Aus irgendwelchen Gründen ist das Schraubgewinde ausgeleiert. Dadurch läuft Sprit aus. Haben Sie zufällig ein Stück Draht zur Hand?«
    Frederik kramte in den Taschen seines Overalls. »Ich hab ein Stück feste Schnur dabei«, sagte er.
    »Fürs Erste reicht das.« Harald steckte das Ventil wieder an seinen Platz und band es mit der Schnur am Filter fest, sodass es nicht mehr wackeln konnte. »Lassen Sie den Motor jetzt noch mal an«, sagte er.
    Frederik tat es, und der Motor sprang an. »Mich laust der Affe«, sagte er. »Sie haben das hingekriegt.«
    »Sehen Sie zu, dass Sie die Schnur so bald wie möglich durch einen Draht ersetzen. Dann brauchen Sie kein Ersatzteil.«
    »Sie bleiben nicht zufällig ein oder zwei Wochen bei uns?«, fragte
    Frederik. »Hier stehen haufenweise Geräte herum, die repariert werden müssten.«
    »Nein, tut mir Leid, ich muss zurück in die Schule.«
    »Na dann viel Glück!« Frederik stieg auf den Traktor. »Wenn ich jetzt losfahre, schaffe ich es noch pünktlich zur Kirche und kann die Nielsens nach Hause bringen. Vielen Dank, auf jeden Fall!« Er fuhr davon.
    Harald und Tik schlenderten zurück zum Schloss. »Da hast du aber mächtig Eindruck geschunden«, sagte Tik.
    Harald zuckte mit den Schultern. Maschinen und Motoren reparierte er schon, seit er denken konnte.
    »Der alte Nielsen ist immer ganz scharf auf die neuesten Erfindungen«, fügte Tik hinzu. »Sämaschinen, Erntemaschinen, sogar Melkmaschinen.«
    »Bekommt er denn noch irgendwo Treibstoff dafür?«
    »Ja, für die Lebensmittelproduktion bekommt man welchen. Nur Ersatzteile sind für nichts mehr aufzutreiben.«
    Harald sah auf seine Uhr. Er freute sich schon darauf, Karen beim Mittagessen wieder zu sehen. Er wollte ihr ein paar Fragen zu ihrem Flugunterricht stellen.
    Im Dorfgasthaus bestellte Tik zwei Glas Bier. Sie setzten sich damit vor die Tür in die Sonne. Auf der anderen Straßenseite kamen Leute aus der kleinen Backsteinkirche. Frederik fuhr mit dem Traktor vorbei und winkte ihnen zu. Hinten auf dem Anhänger saßen fünf Menschen. Harald schätzte, dass der große, schwere Mann mit den weißen Haaren und dem rauen, wettergegerbten Gesicht Bauer Nielsen war.
    Ein Mann in einer schwarzen Polizeiuniform verließ die Kirche in Begleitung einer mausgrauen Frau und zweier Kinder. Als er Tik erkannte, warf er ihm einen finsteren Blick zu.
    Eines der Kinder, ein Mädchen von etwa sieben Jahren, sagte mit lauter Stimme: »Warum gehen die nicht zur Kirche, Papa?«
    »Weil sie Juden sind«, gab der Mann zurück. »Sie glauben nicht an unseren Herrn.«
    Harald sah Tik an.
    »Unser Dorfpolizist, Per Hansen«, sagte Tik leise. »Er ist außerdem
    Ortsgruppenleiter der Dänischen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei.«
    Harald nickte. Die dänischen Nazis waren keine große Partei. Bei den letzten Wahlen vor zwei Jahren hatten sie nur drei Sitze im Rigsdag gewonnen. Aber mit der Okkupation hatten sie neue Hoffnung geschöpft. Außerdem hatten die Deutschen die dänische Regierung zwingen wollen, dem Partei vorsitzenden, Fritz Clausen, einen Ministerposten einzuräumen. Dass es dazu nicht gekommen war, lag an König Christian, der sich standhaft geweigert hatte, einen solchen Schritt zu akzeptieren. Am Ende hatten die Deutschen nachgegeben. Parteigenossen wie Hansen waren enttäuscht, schienen aber auf einen Stimmungsumschwung zu warten und waren offenbar fest davon überzeugt, dass ihre Zeit noch kommen würde. Harald fürchtete, sie könnten Recht

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