Mitternachtsfalken: Roman
Überwindung, ihm zu schmeicheln: »Genau, Sir! Das haben Sie sehr gut ausgedrückt.«
»Aber wie ist die dänische Polizei Ihren Leuten überhaupt auf die Schliche gekommen?«
Mit dieser Frage hatte Hermia gerechnet und sich entsprechend vorbereitet. »Ich glaube, das Problem liegt auf der schwedischen Seite.«
»Aha!« Woodies Miene hellte sich auf. Für das neutrale Schweden war er nicht mehr zuständig. Er witterte die Gelegenheit, einer anderen Abteilung die Schuld in die Schuhe zu schieben. »Nehmen Sie doch bitte Platz, Miss Mount.«
»Danke.« Hermia schöpfte neuen Mut: Woodie reagierte genau, wie sie es sich erhofft hatte. Sie schlug die Beine übereinander und fuhr fort: »Ich glaube, der schwedische Verbindungsmann hat Kopien der illegalen Zeitungen an das Reuters-Büro in Stockholm weitergegeben und damit vermutlich die Deutschen alarmiert. Sie, Sir, haben doch stets die strikte Anweisung gegeben, dass unsere Agenten sich auf das Sammeln von Informationen beschränken und keinesfalls Nebenaktivitäten wie Propagandaarbeit und Ähnliches betreiben sollen.« Das war mehr als Schmeichelei. Woodie hatte so etwas nie gesagt, obwohl es zu den Grundregeln des Agentenwesens gehörte.
Dennoch nickte er feierlich und sagte: »Ja, so ist es.«
»Nachdem ich herausgefunden hatte, was da im Gang war, habe ich die Schweden noch einmal ausdrücklich auf Ihre Anordnung hingewiesen – aber da war das Kind schon in den Brunnen gefallen, fürchte ich.«
Woodie überlegte angestrengt. Mit dem Gedanken, behaupten zu können, seine Anordnungen seien nicht befolgt worden, konnte er sich durchaus anfreunden. Eigentlich mochte er es ohnehin nicht, wenn sich die Leute strikt an seine Vorschläge hielten, denn wenn am Ende etwas dabei herauskam, beanspruchten sie die Lorbeeren für sich allein. Lieber war es ihm, sie ignorierten seinen Rat und fielen damit auf die Nase. Dann konnte er ihnen vorhalten: »Das habe ich Ihnen doch gleich gesagt!«
»Soll ich Ihnen eine Aktennotiz schreiben, in der ich Ihre Anordnung erwähne und meine Nachricht an die schwedische Gesandtschaft zitiere?«
»Gute Idee, ja.« Die Sache gefiel Woodie immer besser. Er selbst würde gar keine Vorwurfe äußern, sondern lediglich eine Untergebene zitieren, die ihn zufällig auch noch dafür lobte, dass er angeblich Alarm geschlagen hatte.
»Dann brauchen wir noch eine neuen Weg, auf dem die Informationen aus Dänemark zu uns kommen sollen«, fuhr Hermia fort. »Mit Funk lässt sich bei solchem Material nichts machen – da sind die Übermittlungszeiten zu lang.«
Woodie hatte nicht die geringste Ahnung, wie man eine neue Schmuggelroute von Dänemark nach England einrichten konnte.
»Oha«, sagte er mit einem Anflug von Panik in der Stimme, »das ist in der Tat ein Problem.«
»Glücklicherweise haben wir vorgesorgt und eine Alternative eingeplant, und zwar die Eisenbahnfähre von Helsingör in Dänemark nach Helsingborg in Schweden.«
»Prächtig«, sagte Woodie erleichtert.
»Vielleicht sollte ich in meiner Aktennotiz erwähnen, dass Sie mich dazu autorisiert haben.«
»Geht in Ordnung.«
Hermia zögerte. »Und die. die Untersuchung?«
»Ach, wissen Sie, ich bin nicht sicher, ob eine solche noch erforderlich sein wird. Mit Ihrer Aktennotiz sollten alle Fragen beantwortet werden können.«
Hermia war bemüht, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen. So, wie es aussah, wurde sie nun doch nicht entlassen.
Sie wusste, dass sie jetzt obenauf war und dass dies der Moment für einen optimalen Abgang war. Aber es gab da noch ein anderes Problem, das sie unbedingt ansprechen musste, und die Gelegenheit war nahezu ideal. »Es gibt da noch etwas, Sir. Ich möchte Ihnen eine Maßnahme empfehlen, die ganz erheblich zur Erhöhung unserer Sicherheit beitragen könnte.«
»Ach ja?« Woodies Miene deutete an, dass er an eine solche Maßnahme, so es sie denn tatsächlich gäbe, schon längst selber gedacht haben würde.
»Wir könnten kompliziertere Codes einführen.«
»Was stimmt denn nicht mit unseren Gedichts- und Buchcodes? Die Agenten des MI6 arbeiten seit Jahren damit«
»Ich fürchte, die Deutschen haben inzwischen herausgefunden, wie man sie knacken kann.«
Woodie lächelte wissend. »Das glaube ich aber nicht, meine Liebe.«
Hermia beschloss, das Risiko einzugehen und ihm zu widersprechen, »Darf ich Ihnen zeigen, was ich meine?« Ohne eine Antwort abzuwarten, kritzelte sie etwas auf ihren Notizblock. »Sehen Sie sich einmal
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