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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Sohn sagte: »Das lasst sich machen – wir hatten eine gute Nacht.«
    Sten war immer noch nicht ganz überzeugt. »Und wenn uns ein deutscher Aufklärer entdeckt?«
    »Ihr könntet die Netze auswerfen und so tun, als ob«, schlug Hermia vor.
    »Da, wo Sie hinwollen, sind keine Fischgründe.«
    »Das wissen die deutschen Piloten aber nicht.«
    Einer der beiden Matrosen warf ein: »Wenn es hilft, Dänemark zu befreien.«
    Der andere nickte heftig.
    Sten wollte unter keinen Umständen als Feigling gelten -und das rettete die Situation auch diesmal. »All right«, sagte er. »Kurs Nord.«
    »Gehen Sie nicht näher als hundert Meilen an die Küste heran«, sagte Hermia und setzte wieder den Kopfhörer auf.
    Erneut suchte sie die Frequenzen ab, doch je mehr Zeit verstrich, desto mehr schwand ihre Zuversicht. Im äußersten Süden der dänischen Westküste, also nicht allzu weit von der deutschen Grenze entfernt, war am ehesten mit einer Radarstation zu rechnen. Sie hatte geglaubt, sie würde die Signale möglichst bald empfangen. Doch nun verging Stunde um Stunde ohne Erfolg, und damit auch Hermias Hoffnungen.
    Da sie den Empfänger nie für mehr als eine oder zwei Minuten verlassen wollte, brachten ihr die Fischer ab und zu Tee und zum Abendessen eine Schüssel mit Dosenfleisch. Hermia lauschte angestrengt, den Blick nach Osten gerichtet. Die dänische Küste konnte sie nicht sehen, wusste aber, dass irgendwo dort drüben Arne war, und gab sich dem Gefühl hin, ihm hier draußen auf dem Meer näher zu sein.
    Als es dunkel wurde, kniete sich Sten neben sie, um mit ihr zu reden. Hermia nahm den Kopfhörer ab. »Wir sind jetzt auf Höhe der Nordspitze Jütlands«, sagte er. »Wir müssen jetzt umdrehen.«
    In ihrer Verzweiflung erwiderte sie: »Können wir nicht noch ein bisschen näher an die Küste ran? Hundert Meilen sind vielleicht doch zu weit, um das Signal zu empfangen.«
    »Wir müssen nach Hause.«
    »Können wir auf dem gleichen Kurs zurückfahren, also strikt nach Süden, aber in nur fünfzig Meilen Abstand?«
    »Das ist zu gefährlich.«
    »Es ist schon fast dunkel. In der Nacht sind keine Aufklärer unterwegs.«
    »Nein, das gefällt mir ganz und gar nicht.«
    »Bitte! Es ist wirklich sehr wichtig.« Sie warf Lars, der in der Nähe stand und zuhörte, einen flehentlichen Bück zu. Er war wagemutiger als sein Vater, vielleicht, weil er mit seiner britischen Ehefrau seine Zukunft in England sah.
    Wie Hermia es sich erhofft hatte, schaltete Lars sich in das Gespräch ein. »Wie wäre es mit fünfundsiebzig Meilen?«
    »Ja, das wäre schon eine große Hilfe.«
    Lars sah seinen Vater an. »Wir müssen ohnehin auf Südkurs gehen. Mehr als ein paar Stunden brauchen wir für den Umweg auch nicht.«
    »Wir gefährden die Crew!«, sagte sein Vater wütend.
    »Denk an Carols Bruder in Afrika, Vater«, erwiderte Lars besänftigend. »Er hat sich freiwillig in Gefahr begeben. Das hier ist unsere Chance, einen eigenen Beitrag zu leisten.«
    »Na gut, dann übernimm du das Steuer«, brummte Sten mürrisch. »Ich hau mich aufs Ohr.« Er trottete ins Ruderhaus und schwang sich den Niedergang hinunter.
    »Danke«, sagte Hermia zu Lars und schenkte ihm ein Lächeln.
    »Eigentlich sind wir Ihnen zu Dank verpflichtet.«
    Lars wendete den Trawler, während Hermia sich wieder auf die Ätherüberwachung konzentrierte. Es wurde Nacht. Sie fuhren ohne Lichter, doch der Himmel war klar und der abnehmende Mond noch drei Viertel voll, sodass Hermia das Gefühl hatte, das Schiff müsse deutlich zu erkennen sein. Aber sie sahen weder Flugzeuge noch andere Schiffe. In regelmäßigen Abständen überprüfte Lars den Kurs mit einem Sextanten.
    Hermias Gedanken schweiften zu dem Luftangriff zurück, den sie und Digby Hoare vor wenigen Tagen überstanden hatten. Dies war das erste Mal gewesen, dass sie im Freien von einem Bombardement überrascht worden war. Zwar war es ihr gelungen, die Ruhe zu bewahren, dennoch, war es ein furchtbares Erlebnis gewesen: das Dröhnen der Bomber, die Suchscheinwerfer und das Feuer der Flak, das dumpfe Rumpeln der fallenden Bomben und das Höllenspektakel der lichterloh brennenden Häuser. Und doch war sie jetzt hier draußen auf See und tat ihr Bestes, damit die Royal Air Force deutsche Familien mit dem gleichen Terror heimsuchen konnte. Es war verrückt – aber die einzige Alternative hätte darin bestanden, den Nazis die Weltherrschaft zu überlassen.
    Es war eine kurze Hochsommernacht; schon bald wurde es

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