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Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtskinder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Pakoras? was? Und ich schüttele den Kopf, nein, nichts, Hanif Mamu, sodass er sich entspannt sich umdreht und anfängt zu schreien Ohé mach schon Dara so ist’s recht gib ihm Saures, Dara yard! Und daheim hockt meine Mutter mit der Eismaschine im Flur und sagt mit ihrer wirklichen Außenstimme Willst du mir helfen Sohn dein Lieblingseis mit Pistaziengeschmack und ich drehe die Kurbel aber ihre Innenstimme prallt gegen das Innere meines Kopfes, ich kann sehen, wie sie alle Winkel und Ecken ihrer Gedanken mit Alltagsdingen auszufüllen versucht, dem Preis von Pomfrets, der Einteilung ihrer häuslichen Pflichten, muss den Elektriker holen, damit er den Deckenventilator im Esszimmer repariert, wie sie sich verzweifelt darauf konzentriert, Teile ihres Mannes zu lieben, aber das Wort, das nicht erwähnt werden darf, schafft sich immer wieder Raum, die beiden Silben, die ihr an jenem Tag im Badezimmer entschlüpften, Na dir Na dir Na, es fällt ihr immer schwerer, den Hörer aufzulegen, wenn einer sich verwählt hat, MEINE MUTTER, ich sage Ihnen, wenn ein Junge hinter erwachsene Gedanken kommt, können sie ihn wirklich vollkommen durcheinander bringen. Und selbst nachts keine Schonung. Ich wache Schlag Mitternacht mit Mary Pereiras Träumen in meinem Kopf auf. Nacht um Nacht. Immer zu meiner persönlichen Geisterstunde, die auch für sie von Bedeutung
ist. Ihre Träume werden vom Bild eines Mannes geplagt, der seit Jahren tot ist, Joseph D’Costa, der Traum gibt mir den Namen preis, er ist mit einer Schuld umhüllt, die ich nicht verstehe, der gleichen Schuld, die jedes Mal in uns alle eindringt, wenn wir ihre Chutneys essen. Hier liegt ein Geheimnis; aber weil das Geheimnis nicht vorne in ihren Gedanken ist, kann ich es nicht herausbekommen, und währenddessen ist Joseph da, jede Nacht, manchmal in Menschengestalt, aber nicht immer, manchmal ist er ein Wolf oder eine Schnecke, einmal ein Besen, aber wir (sie träumend, ich zuschauend) wissen, er ist es, unheilvoll unversöhnlich anklagend. Sie in der Sprache seiner Verkörperungen verfluchend, heult er sie an, wenn er der Wolfs-Joseph ist, bedeckt sie mit den Schleimspuren von Joseph-der-Schnecke, schlägt sie mit dem Borstenteil seiner Beseninkarnation ... und am Morgen, wenn sie mir befiehlt zu baden aufzuräumen mich für die Schule fertig zu machen, muss ich die Fragen herunterschlucken. Ich bin neun Jahre alt und verirre mich in den Wirren der Leben anderer Menschen, die in der Hitze ineinander laufen.
    Um den Bericht von den ersten Tagen meines verwandelten Lebens zu Ende zu bringen, muss ich ein schmerzliches Geständnis hinzufügen: Mir fiel ein, dass ich meiner Eltern Meinung über mich verbessern könnte, wenn ich meine neue Fähigkeit dazu benutzte, mir bei der Schularbeit helfen zu lassen – kurzum, ich begann, im Unterricht zu mogeln. Das heißt, ich stellte mich auf die inneren Stimmen meiner Lehrer und auch meiner klügeren Klassenkameraden ein und stahl mir Informationen aus ihren Gedanken. Ich stellte fest, dass nur sehr wenige meiner Lehrer eine Prüfung abhalten konnten, ohne in Gedanken die idealen Antworten aufzusagen  – und ich wusste auch, dass bei den wenigen Malen, wenn der Lehrer von anderen Dingen in Anspruch genommen wurde, seinem Liebesleben oder seinen Finanzschwierigkeiten, die Lösungen immer im altklugen, altmeisterlichen Kopf unseres Klassengenies, Cyrus-des-Großen, gefunden werden konnten. Meine Noten
begannen sich dramatisch zu verbessern – aber nicht übertrieben, denn ich achtete darauf, meine Versionen unterschiedlich von ihren gestohlenen Originalen zu gestalten; selbst wenn ich telepathisch einen ganzen Englischaufsatz von Cyrus abschrieb, fügte ich etwas mediokres eigenes Beiwerk hinzu. Meine Absicht war es, keinen Verdacht zu erregen; das gelang mir nicht, aber ich entging der Entdeckung. Unter Emil Zagallos wütenden, forschenden Blicken blieb ich unschuldig engelhaft; zum gedankenverlorenen, kopfschüttelnden Erstaunen von Herrn Tandon, dem Englischlehrer, brachte ich schweigend meinen Betrug zustande – wohl wissend, dass sie die Wahrheit nicht glauben würden, selbst wenn ich aus Dummheit oder durch Zufall aus der Schule plauderte.
    Lassen Sie mich zusammenfassen: An einem entscheidenden Punkt in der Geschichte unserer jungen Nation, zu einer Zeit, da Fünfjahrespläne aufgestellt wurden und Wahlen näher rückten und Teilnehmer an Sprachmärschen um Bombay kämpften, erlangte ein neunjähriger Knabe namens

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