Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

verschwanden auch die Ibrahims aus unserem Leben. Und ZU VERKAUFEN schließlich – die Wohnung von Cyrus Dubash und seiner Mutter, denn während des Zetergeschreis um die Sabarmati-Affäre war, fast gänzlich unbemerkt, der Atomphysiker seinen Tod durch Ersticken an einem Orangenkern gestorben, sodass sich der religiöse Fanatismus der Mutter ungehemmt an Cyrus austoben konnte und die Räder der Zeit der Enthüllungen in Bewegung gesetzt wurden, die das Thema meines nächsten kleinen Vortragsstücks sein wird.
    Die Schilder nickten in den Gärten vor sich hin, die ihre Erinnerungen an Goldfische und Cocktailstunden und Katzeneindringlinge verloren; und wer nahm sie ab? Wer waren die Erben der Erben William Methwolds? ... Sie kamen in Schwärmen aus der ehemaligen Residenz Dr. Narlikars: dickbäuchige und unanständig kompetente Frauen, die dank dem Reichtum, zu dem ihnen die Tetrapoden verholfen hatten (denn dies waren die Jahre der großen Landgewinnung), fetter und kompetenter denn je geworden waren. Die Narlikar-Frauen – der Marine kauften sie Fregattenkapitän Sabarmatis Wohnung und der abreisenden Frau Dubash das Heim ihres Cyrus ab, Bi-Appah bezahlten sie mit gebrauchten Banknoten, und die Gläubiger der Ibrahims wurden mit Narlikar-Geld ausgesöhnt.
    Mein Vater weigerte sich als Einziger von allen Anwohnern zu verkaufen; sie boten ihm riesige Summen, er aber schüttelte den Kopf. Sie erklärten ihren Traum – den Traum, die Häuser dem Erdboden gleichzumachen und auf dem zweigeschossigen Hügelchen ein großes Mietshaus zu errichten, das dreißig Stockwerke hoch in den Himmel ragen würde, ein triumphaler rosafarbener Obelisk, ein Wegweiser ihrer Zukunft. Ahmed Sinai, in Abstraktionen verloren, wollte nichts davon wissen. Sie erklärten ihm –«Wenn Sie erst einmal von Schutt umgeben sind, müssen Sie für einen Apfel und ein Ei verkaufen»; er blieb (in Erinnerung an ihre Tetrapoden-Falschheit) hart.
    Nussie-die-Ente sprach, als sie wegzog: «Ich habe es Ihnen ja gesagt, Amina Schwester – das Ende! Das Ende der Welt!» Diesmal hatte sie Recht und Unrecht; die Welt drehte sich auch nach dem August 1958 weiter, aber die Welt meiner Kindheit war in der Tat zu Ende gegangen.
    Padma – hattest du, als du klein warst, eine eigene Welt? Ein Weltrund aus Blech, auf das die Kontinente und Ozeane und das Polareis aufgedruckt waren? Zwei billige Erdhalbkugeln aus Metall, von einem Gestell aus Plastik zusammengehalten? Nein, natürlich
nicht, aber ich hatte eine. Es war eine Welt voller Etiketten: Atlantischer Ozean und Amazonas und Wendekreis des Steinbocks. Und am Nordpol trug sie die Inschrift: MADE AS ENGLAND. In jenem August der nickenden Schilder und der Habsucht der Narlikar-Frauen hatte diese Blechwelt ihren Halt verloren; ich besorgte mir ein Klebeband, pappte die Erde am Äquator zusammen und begann sie dann, als mein Drang zum Spielen größer wurde als mein Respekt, als Fußball zu benutzen. In der Zeit nach der Sabarmati-Affäre, als die Luft von der Reue meiner Mutter und den privaten Tragödien der Erben Methwolds erfüllt war, kickte ich meine scheppernde Weltkugel aus Blech auf dem Anwesen herum, in der beruhigenden Gewissheit, dass die Welt immer noch aus einem Stück war (wenn auch durch Klebestreifen zusammengehalten) und zu meinen Füßen lag ... bis an dem Tag, als Nussie-die-Ente ihre letzte eschatologische Wehklage anstimmte – an dem Tag, als Sonny Ibrahim aufhörte, Sonny-von-nebenan zu sein -, meine Schwester das Messingäffchen sich in unerklärlicher Wut auf mich stürzte und schrie: «O Gott, hör auf herumzukicken. Bruder; fühlst du dich heute noch nicht mal ’n kleines bisschen elend ?» Und sie sprang hoch in die Luft, landete mit beiden Füßen auf dem Nordpol und mahlte die Welt unter ihren wütenden Absätzen in den Staub unserer Auffahrt.
    Es scheint, dass der Weggang von Sonny Ibrahim, ihrem verschmähten Verehrer, den sie mitten auf der Straße nackt ausgezogen hatte, das Messingäffchen letztlich doch berührt hatte, obwohl sie ihr Leben lang leugnete, dass Liebe möglich sei.

Enthüllungen
    Om Hare Khusro Hare Khusrovand Om
     
    Wisset, o ihr Ungläubigen, dass in den dunklen Mitternächten des HIMMLISCHEN WELTRAUMS in einer Zeit vor der Zeit die Sphäre des Gesegneten Khusrovand lag!!! Selbst MODERNE WISSENSCHAFTLER bestätigen nun, dass man generationenlang GELOGEN hat, um vor dem Volk, das ein Anrecht darauf hat, es zu erfahren, die Unzweifelhaft WAHRE