Mitternachtskinder: Roman (German Edition)
Fregattenkapitän Sabarmati, gut aufgehoben im Marinegefängnis, entdeckte die Strafen des Ruhms – überschwemmt mit Beistandstelegrammen, erwartete er seinen Prozess, Blumen füllten seine Zelle, und obwohl er darum bat, auf eine Asketendiät, bestehend aus Reis und Wasser, gesetzt zu werden, überhäuften Gönner ihn mit Tiffin-Behältern voll Birianis und Pistaki-Lauz und anderen üppigen Speisen. Und der Fall wurde beim Gerichtshof vorgezogen und in Nullkommanichts verhandelt ... Der Staatsanwalt sagte: «Die Anklage lautet auf Mord ersten Grades.»
Mit starrem Kiefer und festem Blick antwortete Fregattenkapitän Sabarmati: «Nicht schuldig.»
Meine Mutter sagte: «O mein Gott, der arme Mann, wirklich traurig, nicht wahr?»
Ich sagte: «Aber eine untreue Ehefrau ist etwas Schreckliches, Amma ...», und sie wandte den Kopf ab.
Der Staatsanwalt sagte: «Hier liegt ein ganz klarer Fall vor. Hier gibt es: Motiv, Gelegenheit, Geständnis, Leiche, Vorsatz – den quittierten Revolver, die ins Kino geschickten Kinder, den Bericht des Detektivs. Was bleibt zu sagen? Der Staat hat das Beweisverfahren abgeschlossen.»
Und die öffentliche Meinung: «So ein anständiger Mann, Allah!» Ismail Ibrahim sagte: «Hier liegt ein Fall von versuchtem Selbstmord vor.»
Darauf die öffentliche Meinung: «????????»
Ismail Ibrahim führte aus: «Als der Fregattenkapitän Dom Mintos
Bericht erhielt, wollte er sich selbst davon überzeugen, ob er stimmte, und, wenn ja, sich selbst umbringen. Er quittierte den Empfang eines Revolvers; er war für ihn selbst bestimmt. In völlig verzweifelter Verfassung fuhr er zu der Adresse in Colaba, nicht als Mörder, sondern als toter Mann! Aber dort – als er seine Frau dort sah, Geschworene! – als er sie halb nackt mit ihrem schamlosen Geliebten sah! – Geschworene, sah dieser anständige Mann, dieser großartige Mann rot! Absolut rot, und solange er rot sah, verübte er die Tat. Deshalb gibt es keinen Vorsatz und auch keinen Mord ersten Grades. Totschlag ja, aber keinen kaltblütigen Mord. Geschworene, Sie dürfen ihn nicht für schuldig befinden.»
Und in der Stadt raunte es: «Nein, das ist zu viel ... diesmal ist Ismail Ibrahim zu weit gegangen ... aber, aber ... die Geschworenen sind zum größten Teil Frauen ... und keine reichen Frauen ... deshalb für den Charme des Fregattenkapitäns und die Brieftasche des Rechtsanwalts doppelt anfällig ... wer weiß? Wer weiß, was da noch alles kommt?»
Die Geschworenen sagten: «Nicht schuldig.»
Meine Mutter rief. «O wunderbar! ... Aber, aber: ist das Gerechtigkeit? » Und der Richter antwortete ihr: «Kraft der mir übertragenen Befugnisse hebe ich dieses unsinnige Urteil auf. Der Anklage für schuldig befunden.»
Oh, die wilde Erregung jener Tage! Würdenträger der Marine und Bischöfe und andere Politiker verlangten damals: «Sabarmati muss im Marinegefängnis bleiben und die Berufung beim Hohen Gericht abwarten. Der blinde Eifer eines einzigen Richters darf diesen großartigen Mann nicht zugrunde richten!» Und die Polizeibehörden kapitulierten: «Sehr wohl.» Der Fall Sabarmati schießt nach oben, rast mit nie da gewesener Geschwindigkeit der Verhandlung vor dem Hohen Gericht zu ... und der Fregattenkapitän sagt zu seinem Rechtsanwalt: «Ich habe das Gefühl, als hätte ich mein Geschick nicht mehr unter Kontrolle, als habe etwas anderes die Sache in die Hand genommen ... lassen Sie es uns Schicksal nennen.»
Ich sage: «Nennen Sie es Saleem oder Rotznase oder Schnüffler oder Fleckengesicht, nennen Sie es kleine Scheibe-vom-Mond.»
Der Urteilsspruch des Hohen Gerichts: «Der Anklage für schuldig befunden.» Die Schlagzeilen der Presse: KOMMT SABARMATI ENDLICH INS ZIVILGEFÄNGNIS? Ismail Ibrahims Erklärung: «Wir gehen durch alle Instanzen! Bis zum Obersten Gerichtshof. »Und nun die Bombe. Eine öffentliche Äußerung vom Chefminister des Staates persönlich: «Es ist eine schwer wiegende Sache, eine Ausnahme vom Gesetz zu machen, aber angesichts von Fregattenkapitän Sabarmatis Verdiensten um sein Land gestatte ich ihm, in Marinearrest zu bleiben und die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes abzuwarten.»
Und noch mehr Schlagzeilen in der Presse, die wie Moskitos stachen: STAATSREGIERUNG VERHÖHNT DAS GESETZ! SABARMATI-SKANDAL NUN ÖFFENTLICHE SCHANDE! ... Als ich erkannte, dass die Presse sich gegen den Fregattenkapitän gewandt hatte, wusste ich, dass es um ihn geschehen war.
Der Urteilsspruch des
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