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Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtskinder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Dämmerung ohne Vorwarnung zu schießen.» Doch «trotz der Provokation durch pakistanische Luftangriffe», behauptete der Rundfunk in Indien,«haben wir nicht reagiert!» Wem sollte man glauben? Machten pakistanische Kampfflieger wirklich diesen «kühnen Angriff», der ein Drittel der indischen Luftwaffe erwischte, als sie sich hilflos auf dem Rollfeld befand? Machten sie machten sie nicht? Und diese nächtlichen Tänze am Himmel: pakistanische Mirages und Mysteres gegen Indiens weniger romantisch betitelte MiGs: Kämpften pakistanische Mirages und Mysterien mit Hindu-Eindringlingen, oder war alles nur eine Art erstaunlicher Illusion? Fielen Bomben? Gab es wirklich Explosionen? Konnte man wirklich sagen, dass es einen Todesfall gab?
    Und Saleem? Was machte er im Krieg?
    Dies: während ich darauf wartete, eingezogen zu werden, ging ich auf die Suche nach freundlichen, Vergessen machenden, paradiesbringenden Bomben.
    Der schreckliche Fatalismus, der mich kurz zuvor überkommen hatte, nahm eine noch schrecklichere Form an; da ich durch die Zerstörung meiner Familie, beider Länder, denen ich angehört hatte, dem Zusammenbruch von allem, was mit gutem Gewissen wirklich genannt werden kann, zugrunde ging, an dem Leid um meine schmutzige unerwiderte Liebe krankte, suchte ich Vergessen im – ich lasse es zu edel klingen; keine pompösen Phrasen dürfen
benutzt werden. Unverblümt also: Ich durchfuhr die nächtlichen Straßen der Stadt auf der Suche nach dem Tod.
    Wer starb im heiligen Krieg? Wer fand, was ich suchte, während ich in strahlend weißen Pajamas und Kurta von meiner Lambretta getragen nach der Sperrstunde durch die Straßen fuhr? Wer, der sich für den Krieg geopfert hatte, ging geradewegs in den Garten der Wohlgerüche ein? Studieren Sie das Bombenmuster, erfahren Sie das Geheimnis der Gewehrschüsse.
    Am Abend des 22. September fanden über jeder pakistanischen Stadt Luftangriffe statt. (Obwohl All-India Radio ...) Flugzeuge, wirkliche oder Phantome, warfen reale oder mythische Bomben. Es ist folglich entweder Tatsache oder Ausgeburt einer krankhaften Phantasie, dass von den einzigen drei Bomben, die auf Rawalpindi fielen und explodierten, die erste auf dem Bungalow landete, in dem meine Großmutter Naseem Aziz und meine Tante Pia sich unter einem Tisch verbargen, die zweite einen Flügel des Städtischen Gefängnisses niederriss und meinem Vetter Zafar ein Leben in Gefangenschaft ersparte und die dritte eine große verdunkelte Villa, umgeben von einer bewachten Mauer, zerstörte; die Wachen waren auf ihren Posten, konnten aber nicht verhindern, dass Emerald Zulfikar zu einem entlegeneren Ort als Suffolk getragen wurde. Sie hatte an jenem Abend Besuch vom Nawab von Kif und seiner störrisch unreifen Tochter, der die Notwendigkeit erspart blieb, eine erwachsene Frau zu werden. Auch in Karatschi reichten drei Bomben. Die indischen Flugzeuge, die zögerten, tief herabzukommen, bombardierten aus großer Höhe; der überwiegende Teil ihrer Ladung fiel ins Meer, ohne Schaden anzurichten. Eine Bombe jedoch löschte Major (a. D.) Alauddin Latif und seine sämtlichen sieben Puffias aus und entband mich damit auf immer von meinem Versprechen; und dann gab es noch zwei letzte Bomben. Unterdessen trat an der Front Mutasim der Schöne aus seinem Zelt, um zur Toilette zu gehen; ein Geräusch wie von einer Mücke schwirrte (oder schwirrte nicht) auf ihn zu, und er starb mit voller
Blase an der durchschlagenden Wirkung der Kugel eines Heckenschützen.
    Und ich muss Ihnen noch von den letzten beiden Bomben erzählen. Wer überlebte? Jamila die Sängerin, die die Bomben nicht finden konnten; in Indien die Familie meines Onkels Mustapha, mit der die Bomben sich nicht abgaben; doch meines Vaters längst vergessene entfernte Cousine Zohra war mit ihrem Mann nach Amritsar gezogen, und sie wurden ebenfalls von einer Bombe aufgespürt.
    Und zwei weitere Bomben verlangen, bekannt gegeben zu werden....
    Während ich, mir der engen Verbindung zwischen dem Krieg und mir nicht bewusst, wie närrisch auf die Suche nach Bomben ging; nach der Sperrstunde fuhr ich los, doch wachsame Kugeln fanden ihr Ziel nicht ... und Flammentücher schlugen aus einem Bungalow in Rawalpindi, Laken, in deren Mitte ein geheimnisvolles dunkles Loch hing, das sich zum Rauchbild von einer alten dicken Frau mit Muttermalen auf den Wangen ausweitete ... und der Krieg tilgte ein Mitglied meiner ausgelaugten, hoffnungslosen Familie nach dem anderen vom

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