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Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtskinder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Lifafa Das wirklich: «Begum Sahiba, Sie müssen gehen, bitte! Unser Vetterchen ist krank geworden»?
    Und schließlich sagte der Kobramann – oder Affenmann oder
Knochenrichter oder sogar Lifafa Das mit dem Guckkasten auf Rädern: «Zu viel Prophezeiung, Mann. Unser Ramram hat heute Abend zu viel prophezeit.»
    Viele Jahre später, als meine Mutter bereits vorzeitig verkalkt war und als alle möglichen Geister aus ihrer Vergangenheit aufstiegen, um ihr vor den Augen zu tanzen, sah sie den Guckkastenmann noch einmal wieder, den sie durch die Ankündigung meines Kommens gerettet hatte und der es ihr vergalt, indem er ihr zu viel Prophezeiung zuteil werden ließ, und gelassen, ohne Bitterkeit sprach sie mit ihm. «Du bist also zurück», sagte sie. «Nun, das eine will ich dir sagen: Ich wünschte, ich hätte verstanden, was dein Vetterchen meinte – mit dem Blut, mit den Knien und der Nase. Denn wer weiß? Vielleicht hätte ich einen anderen Sohn gehabt.»
    Wie mein Großvater am Anfang in einem Flur voller Spinnweben im Haus eines blinden Mannes und auch am Ende wieder; wie Mary Pereira, nachdem sie ihren Joseph verloren hatte, und wie ich war meine Mutter gut im Geistersehen.
    ... Doch nun bin ich, weil es noch mehr Fragen und Doppeldeutigkeiten gibt, verpflichtet, gewisse Verdächtigungen auszusprechen. Auch Misstrauen ist ein Ungeheuer mit zu vielen Köpfen; warum kann ich mich dann nicht davon abhalten, es auf meine eigene Mutter loszulassen? ... Was, frage ich, wäre eine gerechte Beschreibung des Bauches des Sehers? Und die Erinnerung – meine neue, allwissende Erinnerung, die das Leben von Mutter, Vater, Großvater, Großmutter und jedem anderen zum großen Teil umfasst  – antwortet: weich, schwammig wie Reismehlpudding. Und zögernd frage ich von neuem: Wie waren seine Lippen beschaffen? Und die unvermeidliche Antwort: voll, zu fleischig, poetisch. Ein drittes Mal befrage ich diese meine Erinnerung: Wie war sein Haar? Die Antwort: dünn, dunkel, glatt kringelte es sich über seinen Ohren. Und nun stellen meine unbegründeten Verdächtigungen die entscheidende Frage ... hat Amina, die überaus Reine, tatsächlich ... könnte sie wegen ihrer Schwäche für Männer, die Nadir
Khan ähnelten ... hätte sie nicht in ihrer merkwürdigen Geistesverfassung und durch die Krankheit des Sehers gerührt ... «Nein!», brüllt Padma wütend. «Wie kannst du dich unterstehen, so etwas anzudeuten? Diese gute Frau – deine eigene Mutter? Dass sie so etwas täte? Du weißt überhaupt nichts und sagst trotzdem so etwas?» Und natürlich hat sie recht wie immer. Wenn sie etwas wüsste, würde sie sagen, dass ich mich nur für das rächte, was ich Amina mit Gewissheit tun sah, Jahre später, durch die schmierigen Fenster des Café Pionier; und vielleicht wurde meine irrationale Vorstellung dort geboren und wuchs unlogischerweise zeitlich rückwärts und traf voll ausgereift auf dieses frühere – und doch mit größter Sicherheit unschuldige – Abenteuer. Ja, das muss es sein. Aber das Ungeheuer will keine Ruhe geben ... «Ah», sagt es, «aber was ist mit ihrem Affentheater – dem, das sie an dem Tag veranstaltete, an dem Ahmed verkündete, dass sie nach Bombay zögen?» Jetzt äfft es sie nach: «Du – immer hast du zu bestimmen. Was ist mit mir? Angenommen, ich will nicht ... Ich habe gerade erst dieses Haus in Ordnung gebracht, und schon ...!» Also, Padma: war das Hausfraueneifer  – oder Maskerade?
    Ja – ein Zweifel bleibt. Das Ungeheuer fragt: «Warum versäumte sie dann irgendwie, ihrem Mann von dem Besuch zu erzählen?» Antwort der Beschuldigten (in Abwesenheit meiner Mutter von unserer Padma formuliert): «Aber denk doch mal, wie wütend er geworden wäre, mein Gott! Selbst wenn diese Brandstiftungssache nicht gewesen wäre, die ihm Sorgen machte! Fremde Männer, eine Frau allein – er wäre außer sich gewesen. Vollkommen außer sich!»
    Unwürdiges Misstrauen ... Ich muss es ablegen, muss meine kritischen Anmerkungen für später aufsparen, als sie mir ohne eine Spur von Doppeldeutigkeit, ohne verdunkelnden Vorhang harte, klare, unumstößliche Beweise lieferte.

    ... Aber als mein Vater spät an jenem Abend mit einem Geruch nach Straßengraben zurückkam, der stärker war als sein üblicher Gestank nach künftigem Versagen, waren seine Augen und Wangen natürlich von aschigen Tränen gestreift; in seinen Nasenlöchern war Schwefel und auf seinem Kopf der graue Staub verräucherten

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