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Mitternachtskinder

Mitternachtskinder

Titel: Mitternachtskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Stimme und versuchte doch nicht, ihn zu ändern.
    »Also gut. Ich habe ihn
geliebt
. Ich wollte dir das nicht sagen. Ich habe mich schuldig gefühlt. Obwohl du und ich nur gute Freunde waren.« Dee zögerte einen langen Moment, aber ich half ihr nicht aus der Klemme. »Und das war schwer auszuhalten, seit … seit er weg ist. Ich
weiß,
dass ich ihn nie wiedersehen werde und dass ich einfach über ihn hinwegkommen muss. Es fühlt sich an, als müsste ich aus einem tiefen Loch klettern. Da habe ich nach dem nächstbesten Ding gegriffen, woran ich mich festhalten konnte, um herauszukommen. Das warst du, und es war falsch von mir, das zu tun.«
    Sie blickte zu mir auf, und jetzt, endlich, gab es Tränen, und ich wusste, dass ich alles tun würde, worum sie mich bat, wie immer. »Bitte, James. In meinem Kopf geht alles durcheinander. Du bist mein allerbester Freund, und ich darf dich nicht auch noch verlieren.«
    »Ich glaube nicht, dass ich das kann«, sagte ich. »Das hier, für dich.«
    Das fühlte sich richtig gut an, um ehrlich zu sein.
    Eine Sekunde lang starrte sie mich an und ließ die Worte ankommen. Dann barg sie das Gesicht in einer Hand und wandte sich halb von mir ab. Sie begann zu weinen, wie Leute weinen, wenn es ihnen egal ist, wer sie dabei beobachtet, weil sie so am Ende sind, dass es sie einfach nicht mehr kümmert.
    Ich konnte ihr nicht dabei zuschauen.
    Ich nahm sie bei der Schulter und zog sie an mich. Der vertraute, reine Duft ihres Shampoos wirkte wie eine Zeitmaschine – er erinnerte mich deutlich an die unzähligen Umarmungen im Lauf der vielen Jahre, die ich sie gekannt hatte, vor Luke, als sie nur mich gebraucht hatte. Ich legte die Stirn auf ihre Schulter und starrte auf das Spiegelbild unserer Umarmung im Schaufenster.
Bitte denk jetzt gerade nicht an ihn.
    »Tue ich nicht«, flüsterte Dee und drückte das Gesicht an meine Schulter. Ihre Tränen benetzten mein T-Shirt.
    Ich wusste nicht, ob ich Dee dabei half, aus ihrem Loch zu klettern, oder ob sie mich mit hineinzerrte.
    »Ich weiß, dass ich verrückt bin«, sagte sie leise. »Bleib noch ein bisschen bei mir, James. Okay? Bis mehr Zeit vergangen ist, du weißt schon, seit dem Sommer … und vielleicht … vielleicht können wir es noch einmal versuchen. Und dann wird es richtig sein. Nicht verkorkst.«
    Ich wusste nicht, ob sie damit meinte, dass wir versuchen sollten, wieder Freunde zu sein oder uns zu küssen oder auch zu atmen. Im Augenblick schien alles jedoch von meinem Bemühen eingefärbt zu sein, ihr zu glauben. Ich schob die Hand in ihr Haar, drückte sie an mich und war erfüllt von der Gewissheit, dass sie mir wieder weh tun würde. Gleichzeitig wusste ich, dass ich nicht die Kraft hätte, sie abzuweisen, bevor es so weit kommen würde.

[home]
    Nuala
    Was fühle ich so dick in meiner Kehle stecken?
    Es schmeckt nach Nektar und brennt wie Wespenstiche.
    In liebevoller Achtsamkeit muss ich entdecken
    Die Form deiner Hände und andere Eindrücke
    Die nicht wichtig sind.
    Aus Die Goldene Zunge:
Gedichte von Steven Slaughter
    W enn ich an diesen Nachmittag zurückdenke, fallen mir die vielen Möglichkeiten ein, wie ich hätte verhindern können, dass Eleanor sah, was ich für James empfand. Ich male mir aus, wie ich hätte verhindern können, dass sie mich überhaupt zu sehen bekam. Aber wenn ich mich schon nicht verstecken konnte, hätte es zumindest eine Chance geben müssen, meine Beziehung zu James zu verbergen.
    James wartete mit dem Mondgesicht an der Bushaltestelle. Die dumme Dee war zur Schule zurückgekehrt. Anscheinend war es sehr anstrengend für sie gewesen, dafür zu sorgen, dass James sich so beschissen fühlte, und jetzt brauchte sie ihren Schönheitsschlaf. Mondgesicht kannte ein paar Zaubertricks – offenbar besaß er verborgene Talente – und ließ Büroklammern in seinen Händen erscheinen und wieder verschwinden.
Mir
fiel es natürlich leicht, den Taschenspielertrick zu durchschauen, mit dem er das machte, aber ich musste zugeben, dass er nicht übel darin war. Er führte seine Tricks auf eine beiläufige, ungekünstelte Art vor, als wollte er damit sagen:
Na und? Natürlich gibt es Magie.
    Und James lächelte darüber dieses ironische Lächeln, das ich allmählich furchtbar liebgewann. Er lächelte, weil er wusste, dass es Magie wirklich gab und dass das, was Mondgesicht ihm da zeigte,
keine
Magie war. Trotzdem ließ er sich zum Narren halten, und ihm gefiel dieser Widerspruch.
    Ich saß ein paar

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