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Mitternachtskinder

Mitternachtskinder

Titel: Mitternachtskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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bereitet dir Schwierigkeiten? Will er keinen Pakt mit dir eingehen? Ich kann ihn dir gefügiger machen. Beim ersten Mal war er sehr leicht zu brechen.«
    In ihrem Kopf sah ich die Erinnerung an ihn, gebrochen und nach Luft ringend. Ich sah sie so deutlich, dass ich wusste, sie war für mich bestimmt. Energisch erwiderte ich: »Ich will keinen Pakt mit ihm. Mein Handel geht allein mich etwas an. Ihr habt Eure Angelegenheiten, und ich habe meine. Ich mische mich nicht in Eure ein und Ihr Euch nicht in meine.«
    Ich war viel zu weit gegangen, doch dieses Bild von ihm hatte irgendetwas in mir ausgelöst. Ich wandte den Kopf ab und wartete auf ihren Zorn.
    Doch sie legte mir nur eine Hand auf die Schulter, schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. »Spar dir deine Kraft. Wenn du bis zum Tag der Toten durchhalten willst, ohne einen Pakt einzugehen, wirst du jedes bisschen davon brauchen.«
    Ich schaute ihr ins Gesicht und sah, dass sie lächelte. Sie lächelte auf eine grässliche Art, die mir zeigte, dass sie ganz genau wusste, was ich für James empfand, und wie interessant sie das fand. Wie alle höfischen Feen genoss Eleanor es sehr, interessante Dinge kaputt zu machen, vor allem solche, die sie schon einmal zerbrochen hatte.
    Ich schob ihre Finger von meiner Schulter, und als ich mich wieder zu ihr drehte, war sie verschwunden.
    Neue Textnachricht
    An:
    James
     
    Du hattest recht, o.k.? Es ist nicht alles o.k., u. ich hätte dir alles erzählen sollen. Aber jetzt kann ich nicht. Was, wenn du sagst, ich soll aufhören? Wenn du mich fragst, ob ich deine sms wirklich nicht bekommen habe? Wenn du mich fragst, ob ich überhaupt weiß, was ich will? Ich hasse lügen.
     
    Absender:
    Dee
     
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    Nachricht wurde nicht gesendet.
     
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    Nachricht wird 30  Tage gespeichert.

[home]
    James
    I n den meisten meiner Kurse an der guten alten T-A saßen etwa achtzehn Schüler. Während die Lehrer jeweils den vordersten Teil des Raums einnahmen, hatten wir Schüler uns im Lauf der Wochen praktischerweise nach Persönlichkeitstypen zusammengesetzt. Erste Reihe: Schleimer und Überflieger wie ich. Zweite Reihe: Freunde von Schleimern und Überfliegern. Dritte Reihe: Leute, die weder Schleimer noch Versager waren (Letztere gehörten in die hinterste Reihe). Leute aus der dritten Reihe interessierten mich nicht. Und auch sonst niemanden, glaube ich. Zu gut, um böse zu sein, und zu böse, um gut zu sein. Letzte Reihe: die bereits erwähnten Versager, Unruhestifter und diejenigen, denen einfach alles scheißegal war.
    Schon komisch, dass ich eigentlich sowohl in die erste als auch in die letzte Reihe gehörte. Kam einem nicht so vor, als ob das überhaupt möglich sein sollte.
    Jedenfalls ging unsere sonst so gemütliche räumliche Ordnung an diesem Morgen zum Teufel. Sullivans Unterricht war mit Linnets Kurs in Dramatischer Literatur zusammengewürfelt worden, zu irgendeinem ruchlosen Zweck, der uns zweifellos später in dieser Stunde enthüllt werden sollte.
    Wir hatten also einen strahlend sonnigen Unterrichtsraum eingenommen, der groß genug für uns alle war, und plötzlich mussten wir um unsere vorherige Platz-/Persönlichkeits-Gliederung streiten. Auf diese Weise landeten Paul und ich in der letzten Reihe, wohin ich vermutlich gehörte, während Paul sich diesen Platz vermutlich allein dadurch verdienen konnte, dass er ständig mit mir herumhing. Was ich nicht erwartet hatte, war, dass ich neben Dee sitzen würde, die ebenso sehr in die letzte Reihe gehörte wie ich an die Thornking-Ash im Allgemeinen. Ich hatte kein einziges Fach mit ihr gemeinsam, und ich brauchte viel zu lange, bis ich darauf kam, dass sie dort war, weil sie in Linnets Dramatikkurs war.
    Ein paar Augenblicke lang saß ich still da, während die herbstliche Brise durch die großen Fenster auf einer Seite des Raumes wehte und Papier auf den Tischen flattern ließ. Ich dachte an alles Mögliche, was ich zu ihr sagen könnte, Dinge in allen Abstufungen von witzig, informativ oder fragend. Schließlich sagte ich nur: »Du hast hier also tatsächlich auch Unterricht.«
    Dee tat mir den Gefallen zu lachen, obwohl das vermutlich der lahmste Scherz meines Lebens war. Dann beugte sie sich über ihren Tisch und flüsterte mir zu: »Es tut mir leid, dass ich gestern so eine Heulsuse war.«
    Auf meiner anderen Seite nahm Paul meine Hand, um etwas daraufzuschreiben. Ich spürte, wie er sorgfältig auf meine Haut malte,

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