Mitternachtslöwe (German Edition)
spottete Abaris, »Seht ihn euch an: ihr wurdet von einem Märchenerzähler reingelegt. Statt mit dem „großen Bombast“ tiefgründige Gespräche zu führen, tue ich das einzig Richtige und ziehe weiter.«
»Ihr geht nirgendwo hin«, sagte Paracelsus überraschend klar und bestimmend, »weil wir ein Spiel spielen«, fügte er verrückt hinzu, klatschte und feixte.
»Vergesst es!« Abaris öffnete die Tür und stieß fast mit dem Käse zusammen. »Das ist eine Speisekammer. Warum ist hier eine Speisekammer? Wo ist der Ausgang?«
Paracelsus zeigte auf ein winziges Türchen neben dem Speck.
»Da passt ja grad eine Maus durch!«, bebte Abaris.
»Natürlich, weil es der Mäuseausgang ist!«, sagte Paracelsus empört. Seine Augen öffneten sich weit. »Die Menschen sind dabei sich selbst zu vergessen. Sie hausen in einer kleinen, weißen Kiste die mitten im Wald steht. Sie wissen tief in ihrem Innersten, dass dort draußen eine wunderschöne, große Welt auf sie wartet. Doch sie schotten sich ab und behüten ihre Kiste, erstellen Regeln und Pläne, damit die Kiste niemals zerbricht. Dabei verlaufen sie sich und rennen gegen die Wände, die sie doch behüten sollen. Findet ihr einen Weg aus eurer Kiste?«
Der fallende Stein
Mit einem Satz verschwand Paracelsus kichernd im nächste Raum. Byrger riss die Tür auf, wollte ihm folgen, doch statt im nächsten Zimmer zu stehen, fand er sich in einem Biotop wieder. Überall rankten und schlängelten sich Pflanzen, von links nach rechts, quer und längs. Einige mit prächtigen Blüten, groß wie Byrgers Hut oder Blättern so winzig wie ein Fingernagel. Der süße Duft von Sommerblumen wehte durch seinen Bart.
»Wo sind wir hier? Das kann doch niemals alles in diesem kleinen Haus sein«, sagte Sophia.
Und plötzlich jagte es Byrger wie ein Blitz durch den Kopf. »Die Tür!«, rief er. Doch als Abaris hindurch schritt schloss sie sich hinter ihm. Byrger hastete zu ihr und spähte hindurch. »Nur ein Irrer, ja?« Byrger riss die Tür weit auf. Die Gischt horizontweiter See schwabte über die Schwelle. Rasch schloss Byrger die Tür.
Abaris stürmte zur Tür, doch als er sie aufriss, fiel er beinahe in die Tiefe eines Gewitterhimmels. »Wo sind wir?«, brüllte Abaris, der Regen peitschte ihm ins Gesicht. Er packte Byrger und schüttelte ihn. »Wo ist das Haus?«
»Ihr könnt die Tür so oft schließen und öffnen wie ihr wollt, dort wird sie nicht ein zweites Mal hinführen!«, rief Byrger.
Abaris wühlte in Byrgers Augen, stöberte alles durch und warf seine Gedanken durcheinander. Er lies los. Abaris wischte sich mit dem Ärmel den Regen aus dem Gesicht.
»Erklärt mir mal jemand was hier los ist?« sagte Sophia.
»Es ist ein mächtiger Zauber«, sagte Byrger und rückte sich sein Gewand und den Hut zurecht, »Und wie Herr Abaris gerade gemerkt hat, stecken wir in einem endlosen Wirrwarr von Türen, die zu jedem Ort unserer Welt führen.«
»Es ist ein Labyrinth«, sagte Abaris entnervt, »Wieder mal.«
»Warum der Trübsal? Damit solltet Ihr Euch doch gut auskennen, Herr Abaris.«
Bei Abaris kam diese Aussage nicht gut an und endete in einem Seufzen, wobei Byrger dies nicht abwertend meinte, sondern ebenso ernst wie ihre derzeitige Lage. Es schien so, als wäre der wankende Fels zu einem Gebirge ausgewachsen, welches nun auch noch Beine bekam und ihnen mit der Keule hinterherjagte.
»Wenn dieser Mann, wie du glaubst, Paracelsus ist, warum sollte er uns dann hier einsperren?«, fragte Sophia.
»Ich sage doch, er ist verrückt«, warf Abaris dazwischen.
»Es ist seine Art uns zum Schatz zu leiten. Eine weitere Prüfung.«
»Nun gut«, sprach Abaris ungeduldig, »Eine Prüfung. Paracelsus sprach von einer Kiste...«
»Ist es also doch Paracelsus«, sagte Byrger, wobei der ungewollt, zynische Ton seiner Worte ihn ein wenig ärgerte.
»Der verrückte Mann«, betonte Abaris deutlich, »sprach von einer Kiste. Das hat doch sicher damit zu tun, Herr Tidesson?«
So grübelten sie lange über Paracelsus' Worte, die abgeschottete Kiste in der sie nun wirklich saßen. Byrger zerbrach sich den Kopf. Einen Weg aus ihrer Misere gab es, die Tür. Jedoch nutzlos, wenn man nicht weiß wohin es einem beim Gang über die Schwelle verschlägt.
Jeder der drei legte seine Theorien zu tage, einige davon exotischer als die Pflanzen, die um sie herum wuchsen, doch befriedigend war keine davon. Als die Diskussionen hitziger wurden verschwand Herr Abaris hinter dem Vorhang aus
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