Mitternachtslöwe (German Edition)
eigentlich nur weibliche Nixen?
Sophia behielt diese Frage für sich.
Jeden Tag legten Linrxa und ihre Schwestern viele Meilen zurück und nochmal soviel, um in den Seen und Bächen oberhalb der Berge nach Fischen zu fangen.
Fisch - es gab reichlich davon.
»Esss issst guter Fisssch. Der bessste den esss hier zzzu fasssen gibt.«
Das mochte sein, aber auch wenn Mensch und Nixe sich in vielem ähnelten, was die Vorliebe für Fangfrisches aus dem Bach anging, konnten es die Reisenden nicht mit den Wasserwesen aufnehmen.
Wenn sich die Nixen auf ihre Fangzüge machten, verbrachte die Familie die Zeit auf kleinen Inseln oder Vorsprüngen inmitten des unterirdischen Gewirrs, wo sie meist schliefen, bis es Fisch gab. Einmal versuchte Abaris sich an einem Feuer, um für ein wenig Abwechslung beim Essen zu sorgen, doch war die Höhle so klein, dass der Rauch nicht abziehen konnte und sie beinahe erstickt wären.
Die Dunkelheit. Sie machte es Sophia nicht leicht ihre eh schon finsteren Gedanken beiseite zuschieben. Manchmal, meist wenn sie dort lag und versuchte zu schlafen, kam es ihr vor, als würde die Dunkelheit sie umschlingen und erdrücken. Sie spürte das Düstere in ihrem Atem, wie sie es aufsog. Oft weinte sie dann, still und leis.
Eines Abends, sie nannten es Abend, wenn die Nixen alleine unterwegs waren, leuchtete die kleine Höhle an winzigen Stellen auf. Hunderte, wenn nicht tausende, marginaler Kristalle besetzten die Höhlenwand und leuchteten. Wie Sternenglitzer in klarer Nacht hatten sie hier unter dem Berg auf einmal ihren eigenen Himmel.
Im Funkeln der Kristallsterne griff Sophia in ihren Beutel, um das Notizbuch ihres Vaters herauszuholen. Doch fand sie etwas anderes. Ein Fetzen Papier. Mit der künstlerischen Gabe eines zehnjährigen Kindes darauf gemalt, lächelte ihr ein Engel entgegen. Fast hatte Sophia das wieder vergessen. Die Schutzsymbole des Schmetterlings, die Maria abmalen und dort hintuen sollte, wo sie schützen sollten. Eigentlich war dies kein echter Zauber, nur ein Spiel, aber gewirkt hatte er dennoch. Bei Sophia.
Mehrere Fischmahlzeiten und endlos schwarze Höhlen später berichtete Linrxa endlich gute Neuigkeiten.
»Esss issst nicht mehr weit. Einen Landtag fliessst das Wassser noch, bisss esss ausss dem Berg tritt. Dasss Wassser issst wild. Haltet euch gut fessst, sssonssst wird esss euch den Tod bringen.«
Endlich. Die quälende Härte der unterirdischen Flüsse und Seen zerrte mittlerweile an der ganzen Familie. Doch diese Nachricht gab ihnen neuen Schwung. Es musste so gewollt sein, dass sie Arlon trafen und das er einen Gefallen bei den Nixen gelten hatte. Morgen wären sie in Andorra, der Schatz lag in greifbarer Nähe.
Am nächsten Morgen sprang Sophia fast überschwänglich aus ihrem Lager. Selbst das Fischfrühstück schmeckte ausgezeichnet. Sie packten zusammen und ließen sich von den Nixen durch das Wasser tragen.
Die eleganten Flossenschläge der Nixen krümmten kein Wellchen. Alles was meist zu hören war, war das Platschen einzelner Tropfen oder das griesliche Gezanke von Abaris und Byrger. Über ihr Geplapper mischte sich ein schnell lauter werdendes Rauschen.
»Aufpasssen, nicht lossslasssen«, sagte Linrxa.
Die Strömung nahm zu, bis die Fluten sie durch die Rinnen pferchte. Aus dem Rauschen wurde ein Brechen von Wassermassen die hinabstürzten. Mehr und mehr Wasser spritzte Sophia ins Gesicht. In einem ungestümen Strudel gluckerte Sophia unter. Seine Kraft sog sie durch den Unterwassernebel. Kurz stieß Sophia das Bild des Wassergeistes in den Kopf, der sie in Ulm bestohlen hatte, als auf einmal Linrxa vor ihr erschien. Doch Angst hatte sie diesmal nicht. Im Wasser wirkte ihr Gesicht weich und zart. Das grünliche Schimmern auf ihrer Haut strahlte wunderschön und ihr perlmuttfarbenes Haar schmiegte sich an die Wellen. Sanft, einer Muschel gleich die durchs Meer gleitet, führte sie Sophia hinauf. Als ihr die Luft ausging presste Linrxa ihren Mund auf Sophias. Reinste Luft, mit einem Hauch von Meerestiefe, füllte ihre Lungen. Sie tauchten auf. Das Licht der Sonne blendete.
Bombast
Der Sommer tanzte zum ersten Mal durch die Wälder. Auf den Wiesen verstreute er hier und dort ein paar bunte Blumen und streifte mit seinen Armen durch die Baumkronen, wo das Laub langsam ergrünte. All die Schönheit der Schmetterlinge und das Zirpen der Vögel verschwamm jedoch in den Rändern Byrgers Fokus, der sich auf das legte, das hinter dem sonnigen Getue lauerte.
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