Mitternachtslöwe (German Edition)
reden auf die Spitze getrieben und den nichtssagenden Gesichtsausdruck perfektioniert. Dies konnte nur eins bedeuten: Byrger traute diesem Odilo nicht. Auf Sophia hingegen machte er einen sympathisch und auf seine eigene Art lustig-fröhlichen Eindruck.
Odilo gab den dreien eine Runde Getränke aus. Er selber ließ sich noch einen Met einschenken. Emma bekam eine Schüssel frische Milch.
Der Mond konnte sich gegen die dicken Wolken, die sich vor ihn schoben, nicht behaupten. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sein helles Leuchten auf ein schummriges Glühen zu reduzieren. Bitterkalt war es und Sophia schlotterte am ganzen Körper, obwohl sie sich komplett in ihren Umhang eingewickelt hatte.
Odilo erschien pünktlich am vereinbarten Treffpunkt, eine kleine Brücke am Stadtrand Lübecks. Wie schon zuvor in der Taverne mit einem nicht endendem Grinsen im Gesicht, begleitet von Emma, die auf seiner Schulter saß und aufmerksam das Treiben mit ihren funkelnden Augen beobachtete. Dank des Wirts der Taverne hatten sie genug Brot, Käse und Dörrfleisch für ihre Fahrt. Kein Königsmahl, aber es würde satt machen. Nachdem sie alles in der Kutsche verstaut hatten, setzte Odilo das Gespann in Bewegung, der holprigen Straße nach Süden folgend. Er musste den Weg gut kennen, denn außer ein paar Lampen vorne an der Kutsche, die gerade genug Licht gaben, um die Pferde zu erkennen, gab es nichts was die Dunkelheit verscheuchte. Aber sie wollten ja auch nicht, wie Odilo sagte, vom Regime erwischt werden. Im Wiegen der Kutsche wurde Sophia schläfrig und versank schon bald in Schlaf.
Als man sie weckte, waren sie bereits zum Stehen gekommen. Odilo hatte die ganze Nacht lang das Fuhrwerk durch die Dunkelheit gelenkt, um noch vor der Dämmerung ihren ersten Unterschlupf zu erreichen. Sie hatten an einer verlassenen Mühle abseits der Straße Halt gemacht. Im Schutz des dichten Waldes würden sie hier ungestört den Tag verbringen können. Vom Fluss, welcher einst das Wasserrad drehte, bliebt nur noch ein kleiner Rinnsal, dessen Oberfläche sich zu feinsten Eiskristallen wandelte. Doch es reichte, um Mensch und Tier vom Durst zu erlösen.
Byrger trat aus dem verfallenen Müllerhaus heraus, mit ein paar alten Mehlsäcken in der Hand. »Mit etwas Stroh gefüllt sollten die ein gutes Lager abgeben«, sagte er.
»Wunderbar«, gähnte Odilo müde, »Ich kann's kaum erwarten mich eine Runde aufs Ohr zu hauen. Werd mich nur noch schnell um die Pferde kümmern.«
Nachdem sich Byrger und Odilo zur Ruhe gelegt hatten, gingen Abaris und Sophia zu einem kleinen Hügel von dem aus sie die Mühle gut sehen und die Umgebung im Auge behalten konnten. Ein alter Baumstamm lud dazu ein auf ihm Platz zu nehmen und der Sonne, bei ihrem Versuch hinter dem grauen Wolkenbart des Horizonts hervorzuklettern, zuzuschauen.
»Was hältst du von Odilo?«, fragte Sophia.
»Er scheint ganz in Ordnung zu sein. Wieso fragst du?«
»Ich habe das Gefühl, Byrger traut ihm nicht.«
»Traut er überhaupt jemandem?«
»Byrger mag etwas steif wirken, aber eigentlich ist er ein wirklich netter Mensch. Gib ihm eine Chance.«
»Ich werde es versuchen.«
Sophia nahm ein paar vertrocknete Blumenstängel, die ihr zu Füßen lagen. Sie zupfte die vertrockneten Blätter ab und ließ sie, eines nach dem anderen, zu Boden gleiten.
»Wegen dem was auf Gotska Sandön passiert ist...«, begann sie schüchtern, »Jedes Mal, wenn mich sehr starke Gefühle überkommen, kommt sie. Lilith. Es ist, als würde ich schlagartig in Ohnmacht fallen, über den Köpfen aller schweben und mich selbst sehen. Ich kann nicht kontrollieren was dann passiert. Es ist wie ein Fluch. Ich muss ständig aufpassen meine Gefühle im Griff zu haben.« Sie ließ die gerupften Stängel zu Boden fallen.
»Aber du hast uns gerettet. Ohne dich, oder Lilith, hätte es schlecht um uns gestanden«, redete Abaris ihr gut zu.
»Ich habe sie getötet, Abaris. Auch wenn es Sirenen waren und sie uns Schlimmes wollten...«
»Sie hätten sonst uns getötet. Du hast nur dein Leben und auch das unsere verteidigt. Es ist kein Verbrechen leben zu wollen oder das Leben anderer zu schützen.«
Sophia lächelte. Zwar behielt Abaris Recht, dennoch war dieses Ereignis nichts was sie so schnell verdauen würde. »Lilith ist auch nicht immer so... „stürmisch“. Hass und Zorn sind nicht gut für sie. Freude und Glück hingegen bewirken genau das Gegenteil von dem was du im Wald gesehen hast.«, erklärte
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