Mitternachtslöwe (German Edition)
Idee wo wir uns verstecken können. Ruhen wir einen Moment, dann müssen wir weiter.«
Auf einem Baumstumpf rangen sie nach Luft. Als Bureus endlich wieder leichter durchatmen konnte, hörte er wieder die Schreie. Flüchtig warf er einen Blick hinüber zur Stadt. Der Himmel färbte sich in ein ungewolltes rot, ein rot, so heiß, wie das Feuer, welches die Stadt verschlang, so rot, wie das Blut, das die Straßen hinabfloss.
Der Schwarze Berg
Der Schwarze Berg, eigentlich nur ein von Büschen und Bäumen bewachsener Hügel inmitten der Heide, so erzählte Mimmi, lag eine halbe Stunde westlich von ihrer Hütte. Was genau sich dort befand, wollte die Alte nicht preisgeben, man müsse es selber sehen, waren ihre Worte.
Vorsichtig schlichen sie durchs Moor. Mimmi ging zusammen mit Sophia voraus. Sie unterhielten sich die ganze Zeit über verschiedenste Kräuter und was sie bewirken. Abaris nutzte die Gelegenheit Byrger ein bisschen besser kennen zu lernen.
»Was macht man denn so als Gesetzesmann den lieben langen Tag?«
»Dafür Sorge tragen, dass den Bürgern kein Unrecht widerfährt.«
Manchmal konnten Byrgers knappe, präzise Aussagen Abaris zur Verzweiflung bringen. Er versuchte seinem Gegenüber einen ›Und was sonst noch?‹ Gesichtsausdruck zuzuwerfen. Anscheint verstand Byrger die Geste.
»Dazu sitz man viel in Versammlungen und befasst sich mit«, er hielt inne, um nach dem richtigen Ausdruck zu suchen, »politischen Dingen.«
»Und die Zauberei ist so eine Art Freizeitvertreib?«, fragte Abaris in locker, flacksigem Ton.
»Nur zum Spaß mache ich das gewiss nicht.«
»Ich bin jedenfalls froh, dass Euer Spruch zuletzt doch noch funktioniert hat. Sophia wäre sonst von diesem Biest gefressen worden. Wir alle.«
»Wisst Ihr«, sagte Byrger, wobei Abaris sich einbildete einen Funken Verlegenheit herauszuhören, »eigentlich wollte ich einen anderen Spruch wirken. Aber nun gut, wir haben es...«
»Was!?«, wurde Abaris etwas lauter, »Sagt nicht, das war wieder so ein Missgeschick.«
Erstmalig erlebte Abaris den alten Mann etwas aufgelöst. »Nun... ja«, gestand er.
Abaris wurde stinksauer auf Byrger. Zwar war die Situation gut ausgegangen, doch schien dieser alte Kerl mehr Glück zu haben als Verstand. »Wenn Ihr solch ein Freizeitzauberer seid«, fuhr Abaris ihn an, »dann lasst es in Zukunft doch lieber sein!«
Tidesson blieb ruhig.
Abaris atmete tief durch. Erst jetzt fiel ihm auf, wie frisch doch die Luft hier im Moor roch, im Gegensatz zu dem Stunk im Regimelager. Gierig sog er mehrere Züge in sich auf. Allmählich verdrängte der kühle Hauch seine Wut. Ein paar übersprungene Moorkuhlen weiter hatte sich sein Zorn gelegt, um wieder vernünftig mit Byrger reden zu können.
»Verzeiht mir Byrger, aber Ihr müsst Euch eingestehen, dass diese Versuche von Zauberei uns zum Verhängnis werden könnten.«
»Keine Sorge«, sagte Byrger scharf, »Das wird nicht mehr vorkommen.«
Eine Weile schritten sie stumm nebeneinander her. Ihr Weg führte sie über einen dicken, vermoderten Baumstamm, der sie dazu zwang über ihn hinüberzuklettern. Zwar bot Abaris Tidesson Hilfe an, doch dieser lehnte höflich ab. Für sein Alter doch sehr gelenkig überwand Byrger das Hindernis ohne Mühe, was Abaris ins Staunen versetzte. Ein Stück weiter ergriff Byrger Tidesson das Wort.
»Da ist eine Sache, die ich Euch noch fragen wollte, Herr Abaris. Weshalb hat man Euch eigentlich in das Labyrinth auf Kreta geworfen?«
Jede andere Frage hätte Abaris gerne sofort beantwortet, nur nicht diese. »Das ist etwas schwierig«, versuchte er sich rauszureden, »Ich würde es als Irrtum bezeichnen...« Er rang mit den richtigen Worten. Um so dankbarer war Abaris, als Mimmi ihre Unterhaltung unterbrach.
»Ab hier müssn wi nu leise sein. Passt up un verkriecht ju hinter de Sträucher.«
Mit aller Behutsamkeit schlichen sie der Alten hinterher. Langsam pirschten sie sich einen Hügel hinauf. Das musste der Schwarze Berg sein. Oben angekommen suchten sie Schutz hinter vertrocknetem Gebüsch oder anderem Gewächs. Mimmi hielt den Zeigefinger vor den Mund und zeigte den Rücken des Hügels hinunter.
Abaris robbte sich an ein Büschel verdorrte Heide heran. Er steckte seinen Kopf hindurch. Er traute seinen Augen nicht.
Auf der anderen Seite des Hügels, etwas abseits, erstreckten sich, vom Norden bis weit in den Horizont des Südens hinein, Gleise wie man sie vom Bergbau her kennt. Doch waren diese breiter und statt kleiner
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