Mitternachtslöwe (German Edition)
eine klare Antwort zu umgehen. »Es sieht danach aus, aber natürlich kann man momentan nur spekulieren.«
Doch Geiger durchschaute ihn. »Mir scheint so«, lies er die Worte auf ein paar Rauchschwaden aus seinem Mund schweben, »als seid Ihr nicht ganz ehrlich zu mir. Warum?« Er nahm einen langen Zug und prustete den Dampf hoch zur Decke. »Ihr seid doch Johannes Bureus, der Experte, wenn es um den Mitternachtslöwen geht. Wenn Ihr sagt, dass Ihr zu Spekulationen neigt ist das schon höchst merkwürdig, findet Ihr nicht?«
Bureus hatte Geiger unterschätzt. Der wohlgenährte Paradiesvogel war anscheint schlauer, als man es auf den ersten Blick vermuten mochte.
»Wisst Ihr«, begann Geiger erneut mit schwerfälliger Stimme, »Krieg ist schlecht für das Geschäft. Wenn das Regime erstmal die Stadt erreicht hat, wird mein Basar am Ende sein. Dann wird niemand mehr kommen, keiner wird mehr Waren anbieten oder welche kaufen wollen. Ihr könnt Euch also denken, wie sehr ich daran interessiert bin, dass der Löwe baldmöglichst erwacht.«
»Ich versichere Euch, momentan kann ich nicht mehr dazu sagen, als dass dafür alles in die Wege geleitet ist. Nun heißt es Geduld zeigen und warten, bis es soweit ist.« Und das war nun wirklich die absolute Wahrheit.
Eine der Amazonen riss die Tür auf. »Soldaten fallen über die Stadt her. Sie kommen zu hunderten, zu Fuß zu Pferd oder mit riesigen Maschinen. Von allen Seiten greifen sie an und überrennen einfach alles was sich ihnen in den Weg stellt. Oben auf den Straßen tobt die Panik!«
»Sind es...«, stammelte Geiger.
»Ja«, sagte die Amazone, »sie tragen das Zeichen des Adlers.«
Ein bitterkalter Schauer lief Johannes Bureus durch den ganzen Körper. Der Tag, von dem er dachte er würden ihn verhindern können, war plötzlich da. Das Regime des Adlers fiel über Schweden her, ohne Vorwarnung.
Tobendes Geschrei drang auf einmal draußen vom Basar. Die zweite Amazone kam angerannt. »Sie haben uns gefunden. Sie greifen den Basar an. Ihr müsst verschwinden!«
Die leicht bekleideten Damen schrien auf und rannten davon. Geiger saß regungslos da und starrte betrübt zur Decke.
»Geiger!«, rief die eine Amazone, »Hört Ihr nicht? Das Regime kommt. Los, Ihr müssen hier weg solange Ihr den oberen Ausgang noch erreichen könnt!«
Aber Geiger regte sich nicht. Eine winzig kleine Träne, kaum wahrnehmbar, floss einsam seine pausbäckige Wange herunter.
Bureus trat näher an ihn ran und sprach ruhig mit ihm. »Hört, wenn Ihr wollt, dass der Löwe erwacht, dann kommt jetzt. Deswegen bin ich heute hier, um den Menschen, die unterwegs sind ihn zu erwecken, zu helfen.«
Zum ersten Mal schaute Geiger Bureus an. »Wirklich?«
»Ja«, antwortete Johannes Bureus aus ganzer Überzeugung.
»Dann sollten wir uns sputen!«, sagte Geiger mit mal deutlich, klar und entschlossen. Er rappelte sich auf und klemmte sich die Wasserpfeife unter den Arm. »Tanrunda, Valmina, schnell, bringt uns hier raus!«
»Jawohl«, sagten die Amazonen synchron. Sie zogen ihre Breitschwerter und rannten los. Geiger und Bureus hinterher. Sie stürmten in die Hallen des Basars.
Da sah Bureus sie zum ersten Mal. Die Soldaten des Regimes. Wie Heuschrecken flogen sie über die Menschenmassen hinweg, schlachteten alles nieder. Ein grausames Schauspiel das ihm sowohl des Verstandes als auch des Atems beraubte. Kurz rief er sich Georg Stiernhielms Worte ins Gedächtnis. Der Krieg würde sich nicht hinter dem Schreibtisch, sondern hier inmitten des Volkes entscheiden.
Sie hetzten den Amazonen über mehrere Brücken und durch schmale Gänge hinterher.
»Mein Basar!«, jammerte Geiger, als er hinabsah, »Was machen diese Unholde nur mit meinem Basar!«
»Geht weiter«, bat Bureus ihn streng ,»Ihr könnt hier nichts mehr tun!«
Unten in den Straßen wütete der Tod im Akkord. Die meisten der einfachen Händler versuchten zu flüchten. Nur wenige wehrten sich notdürftig mit einfachsten Mitteln. Hexen flogen durch die Luft und ließen ihre mickerigen Zauber auf die Soldaten hinunter regnen. Doch die Feuer speienden Geräte des Regimes sorgten schnell für Besen freien Luftraum.
Ein paar Zauberer, sehr mächtige und auch weniger begabte, bildeten eine Mauer und versuchten einen Schildzauber aufrecht zu erhalten. Bureus sah nur wage wie einige Federmäntel mit einem vor die Brust geschnallten, blechernen Kasten an das Schild herantraten, an einer kleinen Kurbel ihres Kistchens drehten, worauf feine,
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