Mitternachtslöwe (German Edition)
Loren standen auf ihnen riesige Wagons. So groß, dass man eine Herde Kamele in jedem einzelnen hätte unterbringen können. Sieben an der Zahl zählte Abaris, aufgereiht, wie eine Entenfamilie. Das Beeindruckendste jedoch befand sich am Südende der blechernen Federviehparade. Etwas derartiges hatte Abaris noch nie zu Gesicht bekommen. Eine gewaltige, metallene Maschine, überwältigend und furchteinflößend zugleich. Das stählerne Monster stieß tiefschwarzen Qualm aus einem Schornstein hervor. Es schnaubte und prustete, zischte und paffte. Von riesigen Eisenrädern, so groß wie ein kräftiger Mann schätzte Abaris, auf den Schienen gehalten, musste es mehrere tausend Kilo wiegen. Dutzende Männer eilten von den kleinen Hütten zum Stahlriesen hin und her. Sie trugen Kisten und Säcke oder schoben Karren mit verschiedenstem Gut. Jedes einzelne Stück luden sie in die Wagons. Abaris erkannte sie an der Kleidung: Männer des Regimes.
»Was ist das?«, fragte Abaris, als seine Fassung langsam wieder zu ihm fand.
»Se nenn dat „Eisenbahn“«, flüsterte Mimmi, »Se schaufeln haufenweise Kohle rin damit dat fährt un die Wagons zieht. Dat Biest saust mit ach un krach durch dat ganze Land. Direkt nach Ulm un noch viel weider.«
Abaris Freunde staunten genauso wie er selbst.
»Wir sollen uns doch nicht wirklich auf dieses Höllengerät schwingen«, weigerte sich Byrger.
»Bleibt uns was anderes übrig?«, sagte Abaris.
»Ik denk ji hebt nich mehr ganz so viel Tiet daröber nachzudenkn. Schaut so ut as würdn de bald opbrechen.«
»Stimmt. Dann sollten wir uns beeilen.«
Hand in Hand schritten sie durch die Dunkelheit. Jeder Fremde wäre schon beim zweiten Schritt im Moor versunken. Mimmi hingegen kannte den Weg selbst in absoluter Finsternis auswendig.
Ein trüber Lichtschein trat über die Kuppe, als sie am Abend erneut den Schwarzen Berg erreichten. Vorsichtig schauten sie durch die Böschung. Aus den Hütten hörten sie die Federmäntel feiern. Nur zwei von ihnen standen draußen und bewachten die Eisenbahn.
»Geht zum letzten Wagon. Da is ene Dör an de Seite, da kümmt ji rin.«
»Danke Mimmi, vielen Dank für alles«, sagte Sophia und verabschiedete sich von Mimmi mit einer Umarmung.
Abaris schlich voran den Hügel hinunter. Hinter ihm Byrger, Odilo samt Emma auf der Schulter und schließlich Sophia mit Maria an der Hand. So behutsam wie irgend möglich pirschten sie sich an die Wagons heran.
»Verdammt noch eins«, sprach einer der Soldaten auf der anderen Seite der Wagons, »Weiß gar nicht warum wir hier rumstehen. In dieser verlassenen Gegend ist doch eh keiner mehr außer uns. Wer sollte hier schon auftauchen, und das Nachts?«
»Vielleicht diese Hexe«, sagte der andere, »Hast doch gehört was passiert ist.«
»Ach so ein Quatsch!«
Abaris gab Odilo ein Zeichen auf das dieser zum anderen Ende der Wagonschlange verschwand.
»Wieso Quatsch? Theo war doch selbst dabei. Hast doch gehört was er erzählt hat.«
»Ach Theo, der erzählt so einiges. Wenn der ein Bier getrunken hat, erzählt der auch sein Vater wär der Schwager vom General. Das ist so ein Spinner.«
»Ein Bier könnt ich jetzt auch gut...«
»Was hast du?«
»Hast du das gehört?«
»Häh?«
»...Na da... hör doch...«
»Jetzt hör ich's auch. Los, lass mal nachsehen.«
»Vielleicht die Hexe...«
»Quatsch nich, geh!«
Das Klappern der Rüstungen verriet, dass die Soldaten sich entfernten.
Behutsam öffneten Abaris und Byrger die große Tür des Wagons einen Spalt weit, sodass sie hineinschlüpfen konnten. Soweit im fahlen Licht, dass sich durch die Ritzen der Holzwand zwängte, zu erkennen, füllte sich der Wagon mit Kisten und Fässern. Da kam Odilo wieder und stieg ebenfalls zu ihnen in den Wagon. Möglichst leise verschlossen sie wieder die Tür.
Starr verharrten sie. Niemand wagte sich zu bewegen. Das Scheppern des Metalls kündigte die Rückkehr der beiden Soldaten an. Ganz zaghaft atmete Sophia, besorgt darum sie könnten sie hören.
»So eine dämliche Katze!«, fluchte der eine, »Verdammt tut das weh!«
»Ich hab doch gesagt du sollst das Vieh in Ruhe lassen.«
»Ja ja. Ich werd mir mal was zum Verbinden holen. Bin gleich wieder da.«
Völlig lautlos kroch Emma aus einer Ecke im Wagon hervor. Irgendwie fand sie immer einen Weg zurück zu ihrem Freund, selbst wenn dies bedeutete sich durch die engste Lücke eines Eisenbahnwagons quetschen zu müssen. Sie hüpfte zu Odilo und Maria und genoss ihre
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