Mitternachtslöwe (German Edition)
schlug erbost seine Faust auf den Tisch, »Spiel was Vernünftiges, was Fröhliches!«
Christofer ging in sich, sammelte sich und begann erneut:
Räuber, Gauner hebt das Bier,
Ganoven, Schlächter, das sind wir!
Wir nehmen uns was uns gefällt,
das Weib, das Dorf, die ganze Welt!
Der General führt uns zum Sieg,
das Blut fließt heiß, wir haben Krieg!
Dies war genau das Niveau nach dem es den Männer dürstete. Begeistert klatschten sie mit, jubelten und schon bei der zweiten Wiederholung sangen sie mit. Zu Christofers fröhlichen Akkorden war es Sophia ein Leichtes die richtigen Tanzschritte zu finden. Die Männer pfiffen ihr zu, gierten regelrecht mit den Augen nach ihr. Einige von ihnen wollten ihr unter den Mantel fassen, doch Sophia nutzte dies geschickt zu ihrem Vorteil und band das Trampeln auf die ungezogenen Finger stilvoll mit in ihren Tanz ein.
Für einen kurzen Moment vergas Abaris wo er sich befand, vergas die miese Gesellschaft um ihn herum. Es war wie eine große nette Feier unter Freunden, wie damals in Athen, unbeschwert und sorgenlos. Selbst Sophia lachte fröhlich, obwohl man sie zwang auf dem Tisch herumzuhüpfen, für eine Rotte schmieriger Verbrecher. Nie hatte Abaris eine Frau wie sie erlebt. Sie war wunderschön, aber dennoch kein Püppchen, sondern eine starke Frau. Das mochte er besonders an ihr. Die Zeit schien langsamer zu laufen. Abaris sah nur noch Sophia. Ihr schwarzes, glänzendes Haar, das sich bei ihren Drehungen verführerisch um sie schlängelte. Diese dunklen, mystischen Augen, hinter deren Glanz die Geheimnisse des Himmels und der Hölle verborgen lagen, die einen süchtig werden ließen, um so tiefer man in sie hineinblickte. Und natürlich ihr Lachen. Sophia hatte ein bezauberndes Lachen, das so in Widerspruch zu ihrer mystischen Aura stand, dass es einen schauderte, aber auf eine zuckersüße, liebliche Weise. Und nie wusste Abaris genau, war es nun Engelchen oder Teufelchen, Sophia oder Lilith, die ihm gerade mit herrlich, roten Lippen zulächelte.
Nach der gefühlten hundertsten Wiederholung schloss Christofer sein Lied ab. Es war schwer zu sagen, ob er den schnellen Ruhm wirklich so genoss oder ob er nur ein Schauspiel aufführte. Jedenfalls war er so damit beschäftigt seiner Zuhörerschaft übertrieben zuzuwinken und sich beim Verbeugen selber die Zehen zu küssen, dass Abaris ihn regelrecht vom Tisch zerren musste.»In Ordnung, in Ordnung! Gönnt mir einen Becher, um meine Kehle zu schmieren. Bin gleich wieder für euch da.«
»Christofer, wir müssen verschwinden. Zeig uns den Weg, bitte.« Abaris drängte.
»Nein«, sagte Christofer, »das kann ich nicht. Ich muss hier bleiben, sie unterhalten. Ulfbert wird euch den Weg zum Schlund zeigen.« Er zeigte auf den Wirt. »Dann ist alles ganz einfach. Wenn ihr draußen seid, geht Richtung Norden. Schon nach kurzer Zeit werdet ihr ein Licht sehen. Geht darauf zu und ihr werdet einen Mann finden, der euch weiterhelfen kann. Sagt ihm der Bote Orpheus' schickt euch, dann wird er euch helfen.«
»Danke Christofer. Ich wünschte ich könnte im Moment mehr für dich tun. Aber ich verspreche dir, eines Tages wird Weiden wieder frei sein.«
»Ich hoffe an diesem Tag werdet ihr hier sein und meiner Laute und meinem Gesang lauschen.«
»Das werden wir.« Abaris klopfte Christofer auf die Schulter. Abaris wollte gerade verschwinden, da fiel im noch etwas ein. »Draußen steht ein Pferd. Sein Name ist Samson. Er braucht jemanden der sich um ihn kümmert. Das würde meine Freundin sehr glücklich machen.« Abaris sah, wie Marias Augen zu funkeln begannen und wie sie sich mächtig freute.
Christofer lachte. »Klar, mache ich«, sagte er und zwinkerte dem Mädchen zu. Der Liedermacher hüpfte auf einen Tisch, nahm im Schwung einen großen Becher Bier mit, ölte seine Kehle und spielte unter Jubel der gierigen Regime-Männer ein neues Lied ein.
Ulfbert öffnete ihnen eine Falltür, versteckt zwischen ein paar Fässern Rum. Als sie die Leiter herabstiegen, verstummten die Noten von Christofers Lied, die Verse wurden leiser, das Feiern dumpfer, der Abschied schmerzlicher. Und es war, als wären sie ihm nie begegnet, dem Liedermacher aus Weiden, Christofer, mit goldenem Haar und der Engelsstimme. Er war ein Wunder, anders mochte Abaris es nicht bezeichnen. Und es zeigte ihm, dass die Menschen wirklich noch Kampfgeist besaßen, Kraft und Stolz sich zu wehren, selbst in Zeiten in denen alles verloren scheint.
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