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Mitternachtslöwe (German Edition)

Mitternachtslöwe (German Edition)

Titel: Mitternachtslöwe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Langenkamp
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Er lief. Kleine, hallende Schritte wehten an ihm vorbei. Abaris stürzte mit greifenden Händen voran. Er sah seine Hände, grau. Sie schlängelten sich, drehten sich, wie eine ins farblose Wasser führende Wendeltreppe. Sie tunkten sich in grau, immer grauer werdend. Irgendwann waren sie nicht mehr da und auch das Grau war nicht mehr da.
     
    Eine schuppige Säule drückte auf Abaris hinab. Was war das an ihrer Seite? Ein Schirm aus knochiger Erde haftete an ihr. Einer dieser Pilze am Stamm eines Baumes. Abaris neigte sich. Er drehte sich weiter, immer weiter, bis alles verkehrt herum lag. Aus dem Schirm war eine Bühne geworden. Wie eine vergessene Insel stand sie vom Fels ab. Jemand bewohnte das Eiland. Abaris versuchte ihn zu erkennen. Ja da war jemand und auch andere. Drei, vier, nein fünf! Und... ein Schaf?
    Mit schwerem Kopf erwachte Abaris. Das dumm daher schauende Gesicht von Boj beugte über seinem. Abaris scheuchte ihn fort. Er schaute die kahle Felswand empor. Wenn es ein Ende gab, lag es irgendwo im dichten Nebel weit, weit über ihnen.
    Zumindest waren die wirren Graulinien verschwunden und die Farbtöpfe des Lebens hatten sich großzügig über alles ausgebreitet, sodass selbst die schäbigste Regenwolke kunterbunt aussah. Doch wo war der Weg? Es gab keinen. Sie saßen auf einem Felsvorsprung, angespült von der grauen See, wie eine alte Planke auf einer Sandbank.
    »Ich sage dir Boj, von denen ist es auch keiner!« Der Schäfer ließ die Beine vom Vorsprung baumeln und flüsterte in seinen Bart. »Wir verschwenden wieder unsere Zeit. Verdammter Orpheus!« Abaris fragte ihn, wie es nun weiter ginge, wie sie von dort weg kämen, ob der alte Mann wüsste was als nächstes geschehe, doch als Antwort kam nur ein stummes, in Misslaune gehülltes, Schweigen. Er saß da, kein Muskel spannte sich und schaute ins ferne Meer des Himmels hinein. »Wir warten.« Und mehr tat der alte Mann auch nicht mehr. Er wartete.
    Dieser pöbelnde Schäfer! Wusste er überhaupt was er hier tat? Abaris zweifelte stark. Sie hätten den Gipfel selber besteigen sollen, ja, dann würden sie sicher nicht hier fest sitzen! Er lief auf und ab, drehte seine Kreise. Der Tiger war ungeduldig. Die Vorstellung hatte begonnen. Er hätte längst dran sein müssen.
    Byrger und Sophia nervten mit ihrem Gerede über eine Mond-Rune, die in den Fels eingemeißelt war. Sie seien auf dem richtigen Weg, sagten sie müssen, ›Durchhalten und Vertrauen zeigen‹. Es kümmerte Abaris nicht.
    Die Tage vergingen. Sie aßen kaum, sie sprachen kaum. Abaris versuchte seinen Stab zum Fliegen anzuregen, zum Leuchten, Entschwinden, Irgendetwas. Aber anders als bei einer Öllampe, die einfach aufgefüllt werden muss, sollte ihre Flamme erlöschen, verstand Abaris nicht an was es seinem Stab mangelte. Er hätte diese Reise nicht mit machen sollen, dachte er sich. Wie viele Leben hätte er schon retten können, wie viele Federmäntel hätte er niedergestreckt in der Zeit die er hier sinnlos, wartend verplemperte. Der General des Regimes selbst wäre längst durch seine Hand vom Anblick der Welt getilgt worden. Aber nein, er hatte sich dazu entschieden einer Bande Möchtegernmagier zu folgen, auf ihrer wahnsinnsschwangeren Suche nach uraltem Zauberplunder. Blindlings war er der Spur aus süßem Nektar gefolgt, bis tief in den Schlund eines falschen Dings, das nicht war was es vorgab zu sein.
    Es war die Nacht in welcher der Himmel sich entschloss die Ankunft seines geehrtesten Gastes zu zelebrieren. Wie dazu aufgefordert, flogen die Wolken beiseite, um Platz zu schaffen für den Besucher, der tagelang zuvor angekündigt wurde, Abend für Abend, durch seine Vorhut aus sichelbespiktem Geleit. Alle waren sie eingeladen, jeder kleinste von ihnen, und sie zeigten ihre Freude darüber, nur für ihn, indem jeder einzelne so hell strahlte, wie es sonst nur das Lächeln eines Neugeborenen zu schaffen vermag.
    Und dann erschien er.
    Am Ende des Horizonts stieg sein Leuchten auf. Das Meer aus Azur glimmte breit, ein weißes Feuer aus Licht fiel über das Land ein. Doch es brannte nicht, es löschte die Schatten der Nacht, trieb sie fort, denn es war seine Nacht und sie waren nicht würdig seinen Glanz zu empfangen. Immer höher kletterte der Reisende den Himmel hinauf, bis sein volles, glühendes Gesicht auf den Felsvorsprung blickte.
    Ein Flimmern tat sich auf. Am Vorsprung surrte die Luft. Sie entfaltete sich und wie bei einer Blume die Blätter wachsen, wuchsen zwei

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