Mitternachtslöwe (German Edition)
verschwand im Trubel seines Gleichen.
»Lasst uns Christofer suchen und dann schnell hier verschwinden«, sagte Abaris.
»Nur zu gerne«, sprach Sophia, die um sich sah, als wolle sie vor dem Anblick dieses Ortes davonlaufen. Fest drückte sie Maria an sich.
Sie gingen über Leichen. Der Weg zum Schanktisch, den Abaris einschlug, war gespickt mit Gesindel des Regimes. Vom Rausch dahingerafft oder auf dem besten Wege dies den anderen gleich zu tun.
Am Schanktisch selbst lehnte ein Soldat einer älteren Generation, glasig im Blick, mit langen Speichelfäden, die ihm in den Bart tropften. »Das Wasser fließt nicht. Tropf, tropf. Es will nicht fließen. Tropf, tropf...«, brabbelte er. Abaris schob ihn einfach mit dem Fuß beiseite, um an den Tisch zu gelangen.
Hinter dem Schanktisch lief ein dürrer Mann gestresst hin und her. »He Wirt, zwei Bier!«, »Noch mehr Wein!«, »Wo blaibt drrrrRummm, verdmmt!?« waren nur einige der Sätze, die ihn in Bewegung hielten. Als er vorbeirannte, griff Abaris sich ihn beim Kragen. Der Wirt fuhr zusammen, der Schweiß floss ihm durch das Gesicht, wie ein Regensturz die Schindeln entlang. »Kennt Ihr Christofer - ziemlich groß, lange Haare?«
»Was... wie??? Ich meine...«, stammelte der Wirt. Er hing an Abaris' Hand, wie ein junges Kätzchen, das man beim Nacken griff, streckte alle Viere von sich und bibberte. »Er war eben noch hier, ist hinten wieder raus.«
Was für ein Gewusel. Abaris ließ den Wirt fallen, als ihn eine schwere Hand herumriss. »Ah, die Truppe aus dem Norden!« keuchte ein dicker Mann an dem die Pranke dranhing. »Endlich seid ihr da. Na, wie läuft es oben bei euch? Stimmt es, was man sich über Ulm erzählt? Ist die Stadt eingenommen? Plattgemacht?« Der Kerl war ein Berg, eine Ansammlung fettiger Massen, ein schmalziger Klumpen, der es irgendwie schaffte sich aus eigener Kraft zusammenzuhalten und dabei eine menschliche Form bildete. Der braune Mantel sah an ihm aus, als hätte er ihn aus einer Puppenstube entwendet. Sein schmieriger Bauch schwappte zwischen Hemd und Hose hervor, wie das Fett aus einem Fass auf hoher See.
»Ja, sicher«, sagte Abaris einfach, wobei er gar nicht mehr wusste was genau ihn dieser Höhlentroll gefragt hatte, war er immer noch dabei mit dessen Erscheinung klar zu kommen.
»He, hört mal«, brüllte der Troll, »Verdammt, haltet sie Schnauze!«, schrie er noch lauter, als niemand reagierte und knallte seine Faust gegen einen Balken, sodass die ganze Hütte wackelte. Die gesamte Taverne war still. »Unsere Freunde aus dem Norden sind hier! Sie sagen Ulm ist eingenommen! Lasst sie uns willkommen heißen und feiern!« Alle Blicke richteten sich auf Abaris und seine Freunde. Die Mienen der Regime-Anhänger blieben finster. Boshaft und kalt starrten sie sie an, doch dann johlten und feixten sie weiter, reichten ihnen Becher, soffen, stießen lautstark mit ihnen an.
»Ihr seid ja ein bunter Haufen!«, sagte der Troll, wobei er ganz genau Sophia in Augenschein nahm. »He, Liedermacher!« Der dicke Trollmann wirbelte seine Hände, groß wie Ruder einer Galeere, durch die Luft. Es war Christofer dem er zuwinkte und der sich einen Weg von der Vordertür zu ihnen bahnte.
»Was macht ihr hier?«, flüsterte er laut zu Abaris, »Ihr solltet warten, habe ich gesagt!«
»Es gab da einige Schwierigkeiten«, sagte Abaris genervt. Er wollte nur aus diesem Loch verschwinden. »Bring uns einfach hier raus, die Sache wird langsam heikel!«
»Quatsch nich! Spiel uns ein Lied!«, polterte der Troll dazwischen, »Und du«, er zerrte Sophia zu sich, »wirst tanzen!«
»Wir tuen lieber was er sagt«, sagte Christofer mit einem gezwungenem Lächeln, »oder es wird ungemütlich für uns.« Er deutete mit den Augen zur Decke, wo die Schuhe der Toten wie ein Windspiel aneinander klackerten.
Abaris stand fassungslos da und wusste nicht was er tun sollte. Doch wahrscheinlich behielt Christofer recht – mitspielen und so tun als gehöre man dazu war wahrscheinlich das Schlaueste und vor allem Sicherste. Immerhin wusste die gesamte Stadt nun, dass sie hier waren. Erneut paukte der Troll gegen den Balken und sorgte für Ruhe. Christofer und Sophia stiegen auf einen Tisch.
»Ein Lied. Ein Lied...« Christofer stammelte. Räuspernd fing er an zu spielen. Leise und surrend sang er ein paar Worte über Liebe und Sehnsucht. Das Publikum war nicht begeistert. Sie buhten und pfiffen ihn aus.
»Was soll das, Liedermacher?«, brüllte der Fette und
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