Mitternachtslust
noch Sex mit ihr will. Da wir also beide relativ unentschlossen sind, lassen wir es eben einfach sein.«
»Seit drei Jahren?« Richard würde es sicher nicht einmal drei Wochen ohne Sex aushalten, wenn auch wahrscheinlich ohne Sex mit ihr.
»Seit knapp drei Jahren.«
»Aber mit anderen Frauen …« Bei einer raschen Drehung spürte sie deutlich die Ausbuchtung in seiner Hose.
»Vielleicht fehlte mir die Gelegenheit. Oder die Entschlossenheit. Womöglich beides.«
Und nun meinte er, beides gefunden zu haben?
Melissa war versucht, wenigstens so weit von ihm abzurücken, dass seine Hüften sich nicht mehr an ihren rieben und sie den Druck seines Geschlechts nicht mehr unter ihrem Bauchnabel spürte. Aber sie tat es nicht. Vielleicht weil sie im Flirren der bunten Lichter für einen winzigen Moment Richard mit der Hose in den Kniekehlen vor sich sah, vielleicht aber auch, weil sie sich zu ihrem eigenen Erstaunen in dieser engen, intimen Umarmung eines Fremden wohlfühlte.
»Sollen wir uns noch eine Olive für unsere Sammlung besorgen?«, schlug er vor.
Erschrocken schüttelte sie den Kopf. Wenn sie noch etwas trank, würde sie zu einem willenlosen Opfer ihrer Triebe werden, so viel war gewiss.
»Ich sollte hinauf in mein Zimmer gehen«, erklärte sie nicht sehr überzeugend.
»Ich auch, morgen früh um neun habe ich eine wichtige Besprechung.« Sie spürte seinen fragenden Blick auf ihrem Gesicht und seine Hände auf ihrem Körper. Noch immer drehten sie sich langsam im Takt der Musik.
»Wir könnten in meinem Zimmer noch etwas zusammen trinken«, hörte sie sich unvermittelt sagen.
Offensichtlich hatte sie einen wichtigen Teil ihrer wohltemperierten Vernunft verloren, denn fünf Minuten später fand sie sich an der Seite des Fremden namens Christian vor der Aufzugtür wieder.
»Gute Nacht, Frau Sander, gute Nacht, der Herr«, wünschte der Page Gerd, der nur wenige Schritte entfernt stand und dessen Freundlichkeit sie sich mit einem Geldschein erkauft hatte.
Nur nahm er sicher an, dass sie eine Frau war, die regelmäßig in Hotelbars Männer aufriss und in ihr Zimmer mitnahm. Natürlich konnte es ihr gleichgültig sein, was ein Hotelpage von ihr dachte – und im Grunde war es das auch.
»Gute Nacht, Gerd!«, rief sie ihm fröhlich zu und trat in die Kabine. Christian folgte ihr und blieb sehr dicht hinter ihr stehen, nachdem sie den Knopf für die vierte Etage gedrückt hatte.
Sie widerstand der Versuchung, sich rückwärts an ihn zu lehnen, als er sie von hinten umschlang und seine Hände auf ihren Bauch legte.
»Drei Jahre sind eine lange Zeit. Schätzungsweise habe ich nicht mehr viel Routine.«
Eigentlich wollte sie ihm sagen, dass eine Einladung in ihr Zimmer nicht gleichbedeutend mit einer Einladung zum Sex war, aber das wäre albern gewesen.
»Mach dir keine Sorgen. Wir können es uns ja jederzeit anders überlegen, wenn wir nicht weiterwissen.« Ihr eigenes Lächeln, das sie in der verspiegelten Wand des Aufzugs sehen konnte, wirkte etwas verzagt. Sie tat, als würde sie nicht bemerken, wie seine Hände langsam höherglitten, bis sie auf ihrem Busen lagen. Ihre Brüste schienen unter seinen Fingern anzuschwellen.
»Wahrscheinlich bin ich auf diesem Gebiet ohnehin nicht besonders anspruchsvoll«, flüsterte sie seinem Gesicht im Spiegel zu. »Mein Mann hält nicht viel von Trödelei im Bett.«
Er schob den Ausschnitt ihres Kleides ein wenig zur Seite und presste von hinten seinen Mund in die kleine Kuhle über ihrem Schlüsselbein. »Wir werden uns viel Zeit lassen.«
Als sich die Fahrstuhltüren öffneten, fuhren sie vor den tadelnden Blicken eines älteren Ehepaars schuldbewusst auseinander und verließen stumm die Kabine.
»Hast du ein schlechtes Gewissen?«, erkundigte Christian sich auf dem Flur.
Melissa schüttelte ungeduldig den Kopf. Soeben war ihr etwas eingefallen, das ihr wichtiger erschien als die Erforschung ihres Gewissens. Wenn sie wirklich das tun wollten, worauf diese ganze Geschichte unweigerlich hinauszulaufen schien, brauchten sie Kondome! Sie hatte natürlich keine bei sich, und wenn es tatsächlich stimmte, dass er seit drei Jahren keine Frau angefasst hatte, würde auch er keine mit sich herumtragen.
»Hast du …«, setzte sie an, biss sich aber sofort auf die Unterlippe, die mittlerweile schon ganz wund war. Vielleicht hätte sie doch lieber noch einen Martini trinken sollen. Es schien gar nicht so einfach zu sein, vom Pfad der Tugend abzuweichen.
»Nein. Ich
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