Mitternachtslust
sicher.«
»Und ebenso sollten Julius und Annabelle zusammen sein«, stellte Melissa mit ruhiger Stimme fest. »Aber wenn er hier ist und nach ihr sucht und auf sie wartet, und sie ist im Jenseits oder wo auch immer und sucht dort nach ihm, können sie niemals zusammenkommen.«
»Ja, das verstehe ich, aber ich weiß wirklich nicht, was du dagegen unternehmen willst.«
»Ich habe keine Ahnung, wie lange es dauern wird, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich es eines Tages wissen werde. Deshalb muss ich hierbleiben. Ganz abgesehen davon, dass dieses Haus vom ersten Augenblick an der Ort war, an dem ich leben wollte.«
Natascha nickte. Melissas feste Stimme und ihre entschiedenen Worte ließen ohnehin keinen Widerspruch zu.
»Ich sehne mich nach dem Gefühl, für immer hierher zu gehören. Bisher habe ich nur einen auf fünf Jahre befristeten Mietvertrag. Deshalb werde ich in den nächsten Tagen zum Makler gehen und ein Angebot für das Haus abgeben. Vielleicht bekomme ich dann endlich Namen und Anschrift des Eigentümers und kann selbst mit ihm verhandeln. Wenn er sich sowieso nicht für seinen Besitz interessiert, kann es doch nicht so schwierig sein, ihn zum Verkauf zu überreden.«
Wieder nickte Natascha zustimmend. Ihrer Miene war anzusehen, dass sie zu der Ansicht gelangt war, Melissa werde ohnehin genau das tun, was sie sich vorgenommen hatte.
»Was macht übrigens dein gut aussehender Nachbar?«, wechselte Natascha das Thema.
»Welcher Nachbar?« Melissa konnte nicht verhindern, dass ihr das Blut in die Wangen schoss.
Mit konzentrierter Miene balancierte Natascha ein weiteres Stück Biskuitrolle auf ihren Teller. Sie ließ sich nicht zu einer Antwort auf Melissas Frage herab, sondern fuhr gelassen fort: »Er hat mir eine Einladung zur Eröffnung seiner Ausstellung geschickt. Das finde ich sehr nett von ihm, zumal er weiß, dass ich mir nie und nimmer eines seiner Bilder leisten könnte.«
»Mir hat er auch eine Einladung in den Briefkasten gesteckt«, gab Melissa mit finsterer Miene zu. »Aber natürlich werde ich nicht hingehen.«
»Wieso nicht?«, fragte Natascha unbedarft.
Sie bekam keine Antwort.
Mit gerunzelter Stirn griff Melissa nach der Kaffeekanne und füllte die Tassen neu. Auf die gedruckte Einladung zu der Vernissage in einer der größten Galerien der Stadt hatte Alexander mit seiner großzügigen geschwungenen Handschrift gekritzelt: Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn du kommst. Tatsache war, dass sie hätte wahnsinnig sein müssen, wenn sie der Einladung gefolgt wäre.
Mehr als vor allem anderen fürchtete sie sich davor, noch einmal den Gefühlen ausgeliefert zu sein, in die er sie mit jedem Blick und jeder Berührung mühelos gestürzt hatte, wann immer sie ihm begegnet war. Schließlich war ihr Leben dadurch, dass sie ihr Haus mit einem Mann aus der Vergangenheit teilte, schon kompliziert genug.
»Ich möchte wirklich nicht über Alexander Burg sprechen«, teilte sie Natascha nach einer längeren Pause mit und nahm sich ebenfalls noch ein Stück Kuchen.
19. Kapitel
»Würden Sie bitte dem Hauseigentümer mein Angebot zukommen lassen? Ich habe das Gebäude und das Grundstück von einem Sachverständigen schätzen lassen und denke, die Summe ist durchaus angemessen für das Anwesen, zumal in den nächsten Jahren ein größerer Betrag in die Instandhaltung des Hauses investiert werden muss.«
Melissa schlug die Beine übereinander und sah abwartend in das Spitzmausgesicht des Maklers, der seinerseits das Blatt, auf dem Melissa ihr Angebot notiert hatte, mit gierigem Blick musterte. Dann faltete er den Zettel zusammen, legte ihn genau parallel zur Kante auf die blankpolierte Schreibtischplatte und ließ seinen unsteten Blick über Melissas Gesicht wandern, um gleich darauf seine Fingernägel und im Anschluss die im Regal aufgereihten Aktenordner zu betrachten.
»Ich bin leider nicht befugt, mit Ihnen über den Verkauf des Hauses zu verhandeln«, gab er nach einer längeren Pause widerstrebend zu.
»Wieso nicht?« Melissa spürte, wie ihr Herz einen kleinen erschrockenen Hüpfer machte. »Steht das Haus grundsätzlich nicht zum Verkauf? Möchte der Eigentümer es in absehbarer Zukunft selbst bewohnen? Das wundert mich, nachdem er bisher völlig desinteressiert war und alles, was Grundstück und Gebäude betrifft, vollständig Ihrer Firma überlässt …« Sie stockte, als ihr klarwurde, dass es nicht darum ging, den Makler zum Verkauf zu überreden. Wegen der fetten Provision
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